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Handel trotz Wandel

■ Rexrodt verspricht den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen zu Rußland

St. Petersburg (dpa/rtr/taz) – Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Rußland sollen trotz des Krieges in Tschetschenien ausgebaut werden. Darauf haben sich gestern die Wirtschaftsminister beider Länder, Günter Rexrodt und Jewgeni Jassin, in St. Petersburg verständigt. In seiner Begrüßungsrede zu Beginn der vierten Tagung des deutsch-russischen Kooperationsrates forderte Rexrodt die russische Regierung zwar auf, „das Blutvergießen in Tschetschenien so schnell wie möglich zu beenden“, weil die „unmäßige Gewaltanwendung“ die europäische Integration Rußlands gefährde. Er betonte aber gleichzeitig, daß Deutschland „gerade in schweren Zeiten“ die Reformpolitik stützen wolle. Eine Absage des Kooperationsrates hätte die Beziehungen um „mindestens eineinhalb Jahre“ zurückgeworfen.

Der deutsch-russische Kooperationsrat, der bis morgen abend in St. Petersburg tagt, ist ein Gremium, dem nicht nur Vertreter der Regierungen, sondern auch von Unternehmen beider Länder angehören. Kern der Arbeit sind zehn Arbeitsgruppen, die von Unternehmensvertretern geleitet werden. Die Tagung des Kooperationsrates ist das jährliche Gipfeltreffen dieser Gruppen.

Die russische Seite habe Verständnis für die deutsche Kritik gezeigt, sagte Rexrodt. Die Russen hätten versichert, daß sie verlorenes Vertrauen schnell wiederherstellen wollten. So habe Jassin angekündigt, daß die Bedingungen für deutsche Investitionen in Rußland schnell verbessert werden sollten. Deutsche Unternehmen sollten stärker an dem Rat für Ausländische Investitionen beteiligt werden, einem Beratungsgremium in Moskau, das bisher von US-Firmen bestimmt wird.

Die russische Seite bat darum, die Hermes-Bürgschaften für Exporte auszubauen. Über die bundeseigene Hermes-Versicherung können sich deutsche Exporteure gegen das Risiko versichern, daß ihre ausländischen Partner für gelieferte Waren nicht zahlen. Im vergangenen Jahr haben die deutschen Exporteure die vom Bund bereitgestellten 2,5 Mrd. Mark nur zu 60 Prozent genutzt, weshalb der Hermes-Plafond für 1995 auf 1,5 Milliarden DM gekürzt wurde. Jassin bat gestern darum, Rußland in eine niedrigere Risikogruppe einzuordnen, was Rexrodt nach eigenen Angaben ablehnte.

Der Vorsitzende des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft, Otto Wolff von Amerongen, mahnte eine Vereinbarung über die ungedeckten Handelsschulden aus der Zeit der UdSSR an. Sie belaufen sich auf rund zwei Milliarden DM. Die Russen hätten Verständnis gezeigt, aber erkennen lassen, daß sie wenig Möglichkeiten für eine Lösung sehen, hieß es in der deutschen Delegation. Wolff kündigte eine Einkaufsoffensive der deutschen Industrie in Rußland an. Eine Liste mit möglichen Projekten, vor allem bei Rohstoffen und Zulieferteilen, soll in St. Petersburg übergeben werden.

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