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Der Castor quält sich gen Gorleben

■ Einlagerungsstopp per Gericht aufgehoben – doch die nächste Klage kommt bestimmt

Hannover (taz) – Der Rechtsstreit um den seit einem halben Jahr vor dem AKW Philippsburg geparkten Gorleben-Castor kann von vorn beginnen. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat gestern den Einlagerungsstopp für das Gorlebener Zwischenlager aufgehoben und damit prinzipiell grünes Licht für den Transport von hochradioaktivem Müll ins Gorlebener Zwischenlager gegeben. Ausdrücklich nicht entschieden hat der 7. Senat jedoch die Frage, ob der im AKW Philippsburg parkende Behälter den Einlagerungsbedingungen in Gorleben entspricht.

Anträge zu einzelnen Castor-Behältern haben nach Auffassung des Gerichts nichts in den Klageverfahren gegen die Betriebsgenehmigung des Zwischenlagers zu suchen. Dafür sei zunächst die atomrechtliche Aufsichtsbehörde, also das Umweltministerium in Hannover, zuständig. Dementsprechend hat der Hamburger Rechtsanwalt Nikolaus Piontek im Namen der Gorleben-Kläger schon gestern beim Umweltministerium in Hannover beantragt, die Einlagerung des Philippsburger Castors nicht zuzulassen. Zur Begründung konnte er dabei auf Monika Griefahns eigene Pressemitteilung verweisen, in der die Pannen beim Beladen des Castors detailliert aufgelistet sind.

Wenn das niedersächsische Umweltministerium sich weiterhin an die Vorgaben des Bundes hält und bei seiner bundesaufsichtlich erzwungenen Zustimmung zur Einlagerung in Gorleben bleibt, steht den Gorleben-Klägern damit wieder der Rechtsweg offen.

Die gestrige Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts läßt sich nur aus der langen Geschichte der Klage erklären. Zwölf Jahre dauert nun schon das juristische Tauziehen um die Betriebsgenehmigung des Gorlebener Zwischenlagers. Das Verwaltungsgericht Lüneburg hatte vor zwei Monaten mit seinem Einlagerungsstopp die aufschiebende Wirkung dieser alten Klage wiederhergestellt. Dabei war das Gericht von einem gravierenden Regelungsdefizit in der Einlagerungsgenehmigung ausgegangen.

Nach Ansicht des OVG besteht dieses gravierende Regelungsdefizit allerdings nicht. Der Siebte Senat hält die Vorschriften über das Beladen des Behälters für ausreichend. Die vom Verwaltungsgericht Lüneburg beanstandeten Vorschriften genügten den gesetzlichen Anforderungen, erklärten die Herren der höheren Instanz. Zugleich betonte das Gericht jedoch, daß es „nicht darüber zu befinden“ habe, „ob der auf dem Gelände des Kernkrafwerks Philippsburg wartende Behälter mit abgebrannten Brennelementen alle Bedingungen für eine Verbringung ins Zwischenlager Gorleben erfüllt“.

Die Castor-Behälter sollen frühestens nächste Woche auf die Reise gehen. Dies erklärte gestern der kaufmännische Leiter des AKWs, Detlev Vogel. Die neue Transportgenehmigung sei schon erteilt.

Die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg warf gestern dem Oberverwaltungsgericht vor, oberflächlich gearbeitet zu haben und sich inhaltlich auf die Seite des Bundesamtes für Strahlenschutz zu schlagen. Der Hamburger Rechtsanwalt Nikolaus Piontek will jetzt in Karlsruhe wegen des Zwischenlagers Verfassungsbeschwerde einreichen. Jürgen Voges

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