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Die Neofaschisten verschlucken sich an der Kreide

■ Italiens Umtauf-Kongreß steht im Zeichen der verlorenen Regierungsmacht

Rom (taz) – Gianfranco Fini, der 43jährige Chef des Movimento Sociale Italiano/Destra Nazionale (MSI/DN), hatte sich alles so schön vorgestellt: Ausgestattet mit den Insignien der Macht, Minister- und Staatssekretärstiteln, hochnoblen Staatskarossen und Polizeieskorten, sollten die „Leader“ der Partei im Thermalbad Fiuggi südlich von Rom von beeindruckten Delegierten empfangen werden. Am Ende des heute beginnenden viertägigen Parteikongresses sollten sie dann die Auflösung des MSI beschließen und unmittelbar in der voriges Jahr gebildeten Alleanza Nazionale (AN) aufgehen. Um seine „demokratische Wende“ zu belegen, wollte er mit einem von alten Faschismusparolen befreiten Programm auch noch jene Nostalgiker aus der neuen Formation vergraulen, die ihm sowieso nur Beine stellen.

Doch nun ist die Show geplatzt. Der unvermittelte Sturz der Regierung Berlusconi hat dem MSI die Insignien der Macht genommen. Zu alledem hat sich auch noch Finis harte Linie gegenüber Staatspräsident Oscar Luigi Scalfaro mit der er Neuwahlen erzwingen wollte, als Rohrkrepierer erwiesen. Weder Scalfaro noch der neue Ministerpräsident Lamberto Dini haben in dieser Frage nachgegeben, und die heimische Industrie wie das Ausland spenden lauthals Beifall. Selbst Berlusconis Forza Italia erwies sich am Ende nicht mehr kompakt gegen die neue Regierung.

So quält sich Fini mit Sorgen. Fröhlich dagegen humpeln und rumpeln die bis gestern noch maladen Veteranen der Bewegung in den Kongreß. Darunter Finis Erzgegner und Vorgänger Pino Rauti, der einige militante Gruppen der Partei, die analog zum Strasser- Flügel der deutschen Nazis stehen, anführt, oder der römische MSI- Boß Teodoro Buontempo, wegen seines stumpfen Gesichts auch „er pecora“, das Schaf, genannt.

Fini will demokratische Glaubwürdigkeit

Buontempo hat schon während der Auseinandersetzung um die Neuregelung der Pensionen klargemacht, daß er lieber mit den Ultralinken der Rifondazione Comunista einen Pakt schließen würde als mit Großunternehmern, Marke Berlusconi.

Vorbei scheint Finis Chance, die vordem nur mit gerade fünf Prozent der Delegiertenstimmen ausgestatteten Widersacher aus der Partei zu drängen, auf daß diese den „undemokratischen Teil“ des Rechtsradikalismus repräsentieren und ihm die demokratische Glaubwürdigkeit lassen. Zu riskant ist ein weiterer Zulauf zu den Fini-Gegnern angesichts der verlorenen Macht. „Wir haben doch vorausgesagt, daß uns die Berlusconi-Bande nur als Mehrheitsbeschaffer will und bei der nächsten Wahl mit den ehemaligen Christdemokraten ein Bündnis schließt, das uns wieder ins Getto treibt“, murrt „er pecora“ unter großem Beifall auch aus dem Fini-Lager.

Just heute, wo die Kongreß- Eröffnung doch als einsames Spektakel vonstatten gehen sollte, findet auch die Vertrauensabstimmung im Abgeordnetenhaus statt. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird dabei Lamberto Dini siegen. Er hatte am Montag abend eine Regierungserklärung abgegeben, die formell auf nur vier Kernpunkte zugespitzt war: eine Rentenreform, die Garantie des gleichen Zugangs aller politischer Gruppen zu den Massenmedien, eine Novellierung des Haushalts und schließlich eine Veränderung des Wahlrechts für die Regionalversammlungen. Doch nahezu alle Beobachter hatten bemerkt, wie viele neue Elemente enthalten sind. Darunter die Einführung einer eigenen Finanzhoheit der Regionen, was einer Verfassungsänderung gleichkommt. „Ein Programm für eine ganze Legislaturperiode“, wie der bisherige Innenminister Roberto Maroni von der Liga Nord bemerkt. „Neuwahlen sind da fürs erste bestimmt nicht drin.“ So muß denn Fini entweder nachgeben, was ihm das Image des strahlenden Macht-Akquisiteurs nimmt, oder wieder zurück in die Opposition. Werner Raith

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