piwik no script img

Der Einstieg liegt keineswegs hinter uns Von Klaudia Brunst

Seit ich 30 bin, geht plötzlich alles kaputt. Vom Kolbenfresser meines Autos will ich gar nicht reden, auch die Sache mit der tropfenden Waschmaschine war abzusehen. Als aber letzte Woche auch noch mein Computer seinen Geist aufgab, kam ich mir doch sehr alt vor. „Controller im Arsch“, erklärte mir unser taz-Computerfachmann und entsorgte meinen 286er in die Sondermülltonne. „Mit asthmatischen acht Hertz“, so sein fachliches Urteil, lebe es sich sowieso äußerst schlecht.

Seinem Rat folgend, dockte ich mich noch am gleichen Tag an die digitale Zukunft an: mein neues Notebook ist nicht nur total schnell und kleiner als eine herkömmliche Spiegel-Ausgabe (vor dem Anzeigenschwund durch Focus). Mein neues kann sogar faxen – und ein Modem hat es auch.

„Super!“ meinte meine alte Kölner Schulfreundin Maggie, die für ein paar Tage gekommen war, um Hauptstadtluft zu schnuppern. „Dann können wir uns ja jetzt immer Botschaften per Maus-Net schicken.“ Sie, just ebenfalls 30 geworden, hatte sich nämlich auch gerade einen neuen Computer mit entsprechender Zukunftstechnologie anschaffen müssen und kommunizierte nun des nächtens im Kölner Maus-Net mit einer „total spannenden“ Schwulen- und Lesben-Gruppe namens „Uferlos“.

Mit sicherem Handgriff verkoppelte sie meinen Laptop mit dem Telefonkabel und piepte sich in die subkulturellen Mailbox-Welten der Domstadt ein. Weil ich erst neulich auf der taz-Frauenseite gelesen hatte, daß es durchaus p.c. ist, wenn frau sich die männerdominierten Datenwelten erschließt, ließ ich sie gewähren – obwohl meine Telefonrechnung schon seit längerem um eine gewisse Kommunikationsabstinenz bittet. Nachdem wir eine gute Stunde in Köln herumgemailt hatten, fand aber auch Maggie, daß es an der Zeit sei, den Berliner Markt abzugrasen. In der Kölner Maus fanden wir tatsächlich die entsprechende Berliner Nummer. Allerdings überzeugte uns der „Spruch des Tages: „Die dümmsten Hühner haben die dicksten Eier“ doch deutlich davon, daß es mit der feministischen Unterwanderung in Berlin noch nicht allzuweit her ist.

Entmutigt wollten wir den Computer schon wieder zuklappen, als mir einfiel, daß im taz-Berlin-Teil neulich ein Bericht über das sog. „BerliNet“ gestanden hatte. Da müßte sich ja eigentlich auch eine entsprechende Kontaktnummer finden lassen. Systematisch durchforstete ich meinen Altpapierbestand. In der Ausgabe vom 28. Dezember wurde die dreiteilige Einführung „BerliNet für Dummies“ leider schon für abgeschlossen erklärt. „Hab's gleich“, meldete ich ins Arbeitszimmer, als ich auch Teil 2 unter den Papierbergen gefunden hatte. „Der Einstieg liegt hinter uns“ stand da in der ersten Zeile. Also mußte die Suche mit der Ausgabe des 15. Dezember ein Ende finden. Ausgerechnet die aber ließ sich partout nicht auffinden. Die taz vom 14.12. hatte einen kritischen Kälteeinbruch in Berlin gemeldet – und ich hatte tags drauf mit der Zeitung den Ofen angemacht. „So leicht gibt frau nicht auf!“ meinte Maggie und loggte sich noch einmal ins Berliner Maus-Net ein. Unter der Rubrik „Mitteilung, öffentlich“ hinterließ sie folgende Botschaft: „Hallo SysOps! Suche dringend Dreizimmerwohnung mit BTX- Anschluß und Zentralheizung.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen