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Gewaltsame Dämonenaustreibung

Pastorenehepaar einer freikirchlichen Gemeinde kommt trotz sexueller Nötigung, Körperverletzung und Freiheitsberaubung mit einer Bewährungsstrafe davon / Kein Berufsverbot  ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler

Pastor Ekkehard Höfig und seine Frau Iris können aufatmen. Und die Nürnberger freikirchliche Immanuel-Gemeinde kann weiterhin auf die Wirkung ihrer inbrünstigen Gebete und Hosianna- Tänze vertrauen. In den letzten Wochen hatte man dort in die Stoßgebete Amtsrichter Spliesgart eingeschlossen. Denn der mußte über die strafrechtliche Ahndung einer gewaltsamen „Dämonenaustreibung“ entscheiden. Nach fünf Verhandlungstagen befand das Gericht gestern das Pastorenehepaar zwar der sexuellen Nötigung, Freiheitsberaubung und gefährlichen Körperverletzung für schuldig. Beide erhielten eine Bewährungsstrafe von 22 Monaten sowie Geldbußen von 10.000 und 4.000 Mark. Vier weitere Gemeindemitglieder erhielten Geldbußen und Bewährungsstrafen von fünf Monaten. Doch dem von der Staatsanwältin geforderten vierjährigen Berufsverbot für den selbsternannten Pastor wollte sich das Schöffengericht – zur Freude der Gemeindeanhänger – nicht anschließen.

„Ich lag offen vor allen da. Ich habe mich so geschämt, ich fühlte mich wie vergewaltigt.“ Die heute 34jährige Gabi S. (Name geändert) wird den 3. Dezember 1988 wohl so schnell nicht vergessen. Nach einem „Heilungsgottesdienst“ hatten Gemeindemitglieder unter Anleitung des Pastorenehepaars beschlossen, bei ihr zur „Dämonenaustreibung“ zu schreiten. Durch Geschlechtsverkehr mit ihrem schwarzen Ex-Ehemann seien „Voodoo-Dämonen“ in sie eingedrungen, habe Gemeindegründer Höfig behauptet. Höfig, im zivilen Leben vor seinem freikirchlichen Coming-out ein Bankkaufmann, machte S. unmißverständlich klar, daß „die Dämonen genauso wieder heraus“ müßten, „wie sie hineingekommen sind“. An diesem Dezemberabend wurde Gabi S. gewaltsam in der Kirche festgehalten. Man zog sie aus und „salbte mit Babyöl“ Vagina und After. Die 34jährige schrie, wehrte sich und wurde festgehalten. Obwohl andere Gemeindemitglieder dies bezeugt hatten, blieb Höfig bei seiner Version. Es sei „nie etwas gegen ihren Willen passiert“. Er sprach von einer „heiligen Atmosphäre“.

Wochen nach dem Vorfall drangen Höfig und seine Anhänger in die Wohnung von Gabi S. ein, die dann über 16 Stunden lang deren Gebete erdulden mußte. „Ich bekam nichts zu essen, nichts zu trinken, durfte nicht raus.“ Daß sie sich gegen die Prozedur gewehrt habe, bestritten die Gemeindemitglieder nicht. Aber nicht sie habe sich gewehrt, sondern „der Dämon in ihr“. Daß das Opfer dabei zeitweilig am Boden lag, gaben sie offen zu. Es komme eben öfter vor, daß man „unter der Kraft des Heiligen Geistes zu Boden sinken“ würde.

Erst Jahre später trat S. aus der Gemeinde aus, offenbarte sich aber aus „totaler Abhängigkeit“ zu den Höfigs nicht der Polizei. Über Dritte erfuhr die Staatsanwaltschaft von den Ereignissen. Für sie war der Fall klar. Neben einer zweijährigen Bewährungsstrafe sollte Pastor Höfig vier Jahre Berufsverbot erhalten, Iris Höfig zusätzlich 180 Stunden im Tiergarten arbeiten. „Soll sie da etwa den Affen den Teufel austreiben?“ empörten sich die Verteidiger. Sie beantragten für alle Angeklagten Freispruch und beriefen sich auf die „grundgesetzlich geschützte freie Religionsausübung“. Der Vorwurf der sexuellen Nötigung greife genauso wenig wie bei einem Gynäkologen, der seiner Arbeit nachgehe.

„Der Gynäkologe hat sich von Berufs wegen mit den Geschlechtsteilen zu befassen, ein Pastor wohl kaum“, urteilte dagegen Richter Spliesgart. Er machte klar, daß ein derartig „hemmungsloses, gewaltsames Vorgehen“ nicht vom Grundgesetz gedeckt sei. Da er keine Gefahr der Wiederholung ähnlicher Taten sehe, komme jedoch ein Berufsverbot nicht in Frage.

Die verhängten Geldbußen dürften die Angeklagten nicht stören. Jedes der 290 erwachsenen Gemeindemitglieder gibt „freiwillig“ rund zehn Prozent seines Einkommens an die Immanuel-Gemeinde ab. Summa summarum etwa 40.000 Mark im Monat.

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