: Die Blechbiegemaschine war eine Tischkante
■ Wird „Dagobert“ zum technischen Halbgott, um Polizeipannen zu kaschieren?
Wer ist Arno Funke, der mutmaßliche Kaufhauserpresser „Dagobert“, wirklich? Ein technisches Genie, wie es die Polizei glauben machen will, oder einfach ein Mensch mit einer gehörigen Portion praktischen Verstandes, der nach einer erfolgreichen Erpressung des KaDeWe 1988 um eine halbe Million Mark auf den Geschmack gekommen war und vier Jahre später mit Hilfe von Karstadt ein neues Leben beginnen wollte? Beim gestrigen vierten Verhandlungstag vor der 33. Strafkammer des Landgerichtes hatte man den Eindruck, daß die Polizei sein technisches Talent „dagobertisiert“, um ihre eigene Unfähigkeit zu kaschieren.
In dem mittlerweile spärlich besuchten Prozeß wurden gestern mehrseitige Gutachten des Bundeskriminalamtes (BKA) verlesen, die dem 44jährigen „sehr hohes technisches und fachliches Wissen“ und „umfangreiche Kenntnisse“ auf dem Gebiet der Modellbaufunksteuertechnik attestieren. Während Funke, wie auch die übrigen Prozeßbeteiligten, beim monotonen Runterspulen der minutiös aufgelisteten Einzelteile seiner Gerätschaften mit dem Schlaf zu kämpfen hatte, huschte im Moment des Lobes von höchster Stelle ein Lächeln über sein Gesicht. Den BKAlern ist in ihren Analysen auch nicht entgangen, daß der mutmaßliche Kaufhauserpresser stets darauf bedacht zu sein schien, keine Fingerabdrücke zu hinterlassen.
Der Angeklagte, der sich wegen sechs Sprengstoffanschlägen, schwerer räuberischer Erpressung sowie versuchter Brandstiftung verantworten muß, nahm das Lob nicht ohne Genugtuung zur Kenntnis. Er selbst hatte in den ersten Verhandlungen gesagt, daß ihm seine kleine Werkstatt in einer Gartenlaube und seine Chemie- Kindheitserinnerungen ausgereicht hätten.
Besonders angetan schienen die BKAler von zwei Funkempfangseinrichtungen gewesen zu sein, mit denen Funke in den Besitz der geforderten 1,4 Millionen Mark gelangen wollte. Die Beamten, beeindruckt von dem „sehr professionellen“ Aufbau, gaben in den Protokollen zu, daß ihm mit seinem funkgesteuerten Metallgehäuse samt Ortungspieper, Magneten und Kunstledertasche eine „gezielte Irreführung der Polizei“ gelungen ist. Sie kamen zu dem Schluß, daß der Angeklagte eine professionelle Werkstatt inklusive Blechschneidemaschine gehabt haben müsse. Mit einem Schmunzeln irgendwo zwischen Unschuld und Gerissenheit erklärte Funke gestern, daß es sich bei der Blechschneidemaschine lediglich um eine Tischkante gehandelt habe. Der Prozeß wird am Dienstag fortgesetzt. Barbara Bollwahn
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