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Ein Kartell ist vergänglich

Weil immer mehr Länder Diamanten auf den Markt bringen, verliert der südafrikanische Fast-Monopolist de Beers die Kontrolle  ■ Aus Amsterdam Falk Madeja

Eigentlich ist die Diamantenschleiferei Van der Heiden an Touristen aus aller Welt gewöhnt. Doch es sind etwas merkwürdige Besucher, die sich in der letzten Zeit im Laden auf dem Amsterdamer Muntplein blicken lassen: „Gestern standen hier noch ein paar Russen. Die wollten uns rohe Steine verkaufen, kleine braune Diamanten“, sagt ein Mitarbeiter. Auch Afrikaner bieten in dem renommierten Laden Diamanten oder auch mal Goldstaub an. Woher das Material stammt, bleibt meist unklar, sicher ist nur, daß es die Diamantenbranche in Unruhe versetzt.

Denn zumindest theoretisch kontrolliert eine Firma immer noch den weltweiten Handel mit Diamanten: Das Diamantenkartell de Beers aus Südafrika. Noch laufen 85 Prozent des Handels über ihre Büros, noch hält dieses Beinahe-Monopol den Preis hoch. Doch je löchriger das Monopol wird, um so unsicherer sind die Preise für den Luxus aus Kohlenstoff.

In Amsterdam läßt sich dieser Prozeß gut beobachten. Die Stadt ist attraktiv für Anbieter, die nicht genau erklären wollen, wo und wie sie an ihre Ware gekommen sind. Denn wer Diamanten nach Holland einführt, riskiert nicht, daß die Steine beschlagnahmt werden, wenn ihre Herkunft nicht bewiesen werden kann. Der niederländische Staat begnügt sich schlicht mit 17,5 Prozent Umsatzsteuer und will darüber hinaus nichts wissen.

Daß diese Lücke in der letzten Zeit häufiger von Kurieren aus Rußland und Afrika genutzt wird, wollen die meisten renommierten Diamantenhändler nicht kommentieren. Bei der „Nederlandse Diamantbeurs“ wird immerhin bestätigt, daß immer mehr Russen als Anbieter auftreten. „Sie melden sich meist telefonisch“, heißt es, „aber wenn man die Ware erst sehen will, ist das Gespräch oft schon zu Ende.“ Neulich habe ein Russe gleich eine Menge angeboten, die der doppelten Menge der russischen Jahresproduktion entsprach. Das habe das Gespräch sofort beendet, sagt ein Händler.

Für das Unternehmen de Beers ist diese Entwicklung ausgesprochen gefährlich. Denn die Diamanten der neuen Händler werden mit zwanzig bis dreißig Prozent Preisnachlaß verkauft. De Beers bezeichnet alle diese Transaktionen als „illegal“. Und man sorgt sich um die Zuverlässigkeit eines Partners, mit dem ein Vertrag geschlossen wurde: dem Staat Rußland. Weil dort ein Viertel aller Diamanten des Weltmarktes ausgegraben werden, handelte de Beers über die zum Unternehmen gehörende Zentrale Verkaufsorganisation (CSO) mit Rußland aus, wieviele Diamanten das Land auf den Markt bringen darf. Fünf Milliarden Dollar verdienen die Russen laut Vertrag; de Beers garantiert dafür einen festen Absatzkanal. Nur fünf Prozent dürfen die Russen selbst verkaufen.

Aber es scheint klar zu sein, daß sich die Russen daran nicht halten. De Beers spricht von Steinen in einem Wert von etwa 500 Millionen Dollar, die „illegal“ auf den Markt gelangten. Um den Preis der Diamanten hoch zu halten, zog de Beers deshalb eine schmerzhafte Konsequenz: Man verkaufte einfach weniger, und der Preis hielt sich selbst in Amsterdam auf hohem Niveau. Doch die Südafrikaner haben in der zweiten Hälfte des Jahres 1994 dadurch acht Prozent weniger Rohdiamanten abgesetzt. Über das gesamte Jahr ist der Schaden weniger groß und beträgt 2,7 Prozent – eines Umsatzes von 4,25 Milliarden Dollar.

Und ein weiteres Risiko droht dem Beinah-Monopol. In diesem Jahr läuft der Vertrag zwischen ihnen und den Russen aus; es muß in Moskau neu verhandelt werden. Die Russen wollen dabei mehr Geld und den Kurs der CSO mitbestimmen. Obendrein betrachtet sich die tief in Sibirien liegende Republik Jakutien als unabhängig von Rußland. Jakutien, das so groß wie Deutschland ist und so viele Einwohner wie Hamburg hat, ist einer unwirtlichsten Orte der Erde. Es ist im Winter bis zu 50 Grad kalt und im Sommer bis zu 30 Grad warm. Aber die ehrgeizigen Funktionäre der nunmehr Sakha genannten Republik träumen seit dem Tod der Sowjetunion davon, ihr Land in ein zweites Kuwait zu verwandeln. In Sakha liegt nicht nur ein Großteil der russischen Diamantenvorräte, sondern obendrein Erdöl, Erdgas und Kohle.

„Die Diamantenwelt hält den Atem an“, kommentiert die holländische Tageszeitung Trouw, „denn die Russen sind nicht die einzige Bedrohung für das weltumfassende Kartell.“ Auch in Kanada seien große Diamantenmengen gefunden worden, die wahrscheinlich ab 1995 auf den Markt gelangen. Wenn de Beers über die Kontrollfirma CSO die Preise weiter diktieren will, muß das Unternehmen große Vorräte anlegen. Das dürfte aber eine kostspielige Angelegenheit werden.

Die meisten Diamantenschleifer in Amsterdam glauben aber, daß de Beers das Fast-Monopol halten wird. Die Firma würde Produzenten und Märkte viel zu gut kennen und hätte genügend finanzielle Reserven, eine lange, schwierige Phase durchzustehen.

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