: Erst aufgenommen, jetzt verstoßen
Auf Weisung von Innenminister Manfred Kanther soll das Asyl für 2.500 Albaner rückgängig gemacht werden / Gerichte beurteilen Widerrufsbescheide als rechtswidrig ■ Von Bettina Markmeyer
Berlin (taz) – Die Bundesregierung versucht derzeit, die albanischen Botschaftsflüchtlinge, die sie vor fünf Jahren mit großer Geste aufgenommen hat, wieder loszuwerden. Auf Anweisung von Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) verschickt das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Zirndorf derzeit Widerrufsbescheide an die Albaner, mit denen das Asyl und damit die unbefristete Aufenthaltserlaubnis rückgängig gemacht werden soll.
Die Verwaltungsgerichte in Düsseldorf und Arnsberg urteilten indes in zwei Fällen, das Vorgehen des Bundesamtes sei rechtswidrig. In Bayern hingegen wies das Würzburger Verwaltungsgericht die Klage eines Albaners ab.
Nach dramatischen Wochen in der deutschen Botschaft in Tirana hatte die Bundesregierung im Juli 1990 3.200 Botschaftsflüchtlinge nach Deutschland ausreisen lassen und sie im Rahmen humanitärer Hilfe als sogenannte Kontingentflüchtlinge aufgenommen. Dies garantierte den Flüchtlingen unbegrenzten Aufenthalt, eine Arbeitserlaubnis und Eingliederungshilfen. Nur die Bundesländer Hamburg, Bremen, Berlin und Niedersachsen jedoch behandelten die Albaner entsprechend. Alle anderen Bundesländer schickten sie in ein vereinfachtes Asylverfahren, in dem sich die Botschaftsflüchtlinge als Asylbewerber anerkennen lassen mußten. Für diese 2.500 Albanern, von denen inzwischen viele ihre Familie nachgeholt haben, will das Zirndorfer Bundesamt nun das Asyl rückgängig machen. Zur Begründung führt es pauschal die veränderte politische Situation in Albanien an.
Die Gerichte in Düsseldorf und Arnsberg bezeichnen – im Gegensatz zu den Würzburger Richtern – in ihren Entscheidungen schon die damalige nachträgliche Durchführung standardisierter Asylverfahren für die Botschaftsflüchtlinge als rechtswidrig. Das Asylrecht gelte vielmehr für Kontingentflüchtlinge ausdrücklich nicht, wie im ersten Paragraphen des Asylverfahrensgesetzes nachzulesen sei. Insofern sei das Bundesamt überhaupt nicht zuständig und könne Asyl in diesen Fällen weder gewähren noch widerrufen. Gleichwohl hat das Bundesamt bereits einige hundert Widerrufsverfahren eingeleitet und will, so der Vizepräsident des Amtes, Wolfgang Weikhardt, zur taz, „bei allen Albanern, die ein Asylverfahren durchlaufen haben, tätig werden“. Daß damit jene 2.500 Albaner, die nicht das Glück hatten, Bremen, Hamburg, Berlin oder Niedersachsen zugewiesen zu werden, ohne jeden sachlichen Grund schlechtergestellt sind, ficht Weikhardt nicht an. Auch die Aussicht, Hunderte von Verwaltungsgerichtsverfahren zu verlieren, schreckt das Bundesamt nicht ab. Nach den ablehnenden Entscheidungen der nordrheinwestfälischen Gerichte „wollen wir“, so Weickhard, „vors Oberverwaltungsgericht“, von dem man sich eine anderslautende Entscheidung erhoffe.
Der Essener Rechtsanwalt Eberhard Haberkern, der viele Botschaftsflüchtlinge vertritt, ist allerdings zuversichtlich, daß die bisherigen Urteile Bestand haben werden. Das ganze Verfahren sei „nicht nur juristisch inkorrekt, sondern vor allem politisch ein Skandal“. Flüchtlinge, die mit offenen Armen aufgenommen worden seien, „werden ausgesprochen schäbig behandelt“. Die Aktion zeige, was die Bundesregierung wirklich von humanitären Hilfsaktionen halte. Viele Albaner seien verunsichert, er hoffe aber, daß sie den Mut hätten, sich mit einer Klage gegen das rechtswidrige Vorgehen des Bundesamtes zur Wehr zu setzen. Kanther müsse die Widerrufsverfahren stoppen.
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