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Ein „abgeschlossener, abgelegter Vermerk“

■ Bahr: Für Willy Brandt war Verdacht gegen Wienand belanglos

Bonn (AFP) – Der SPD-Politiker Egon Bahr hat das Verhalten führender Sozialdemokraten in der Affäre um den ehemaligen Parlamentarischen Geschäftsführer seiner Partei, Karl Wienand, verteidigt. Zugleich wies er Vorwürfe der Witwe Willy Brandts zurück, führende Sozialdemokraten hätten Aufzeichnungen des verstorbenen SPD-Vorsitzenden über Geheimdienstaktivitäten Wienands beiseite geschafft. Er selbst habe im Gegenteil dafür gesorgt, daß diese Aufzeichnungen nicht verschwinden, sondern mit einem Vermerk bei der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung registriert wurden, sagte Bahr dem Nachrichtenmagazin Spiegel. Brigitte Seebacher-Brandt hatte Anfang der Woche mit dem Vorwurf an Bahr sowie die SPD-Politiker Johannes Rau und Hans-Jochen Vogel ihren Austritt aus der SPD begründet. In den Anfang Januar von der Bundesanwaltschaft im Archiv der Friedrich-Ebert-Stiftung beschlagnahmten Aufzeichnungen äußerte Brandt nach einem Gespräch mit dem früheren sowjetischen Botschafter in Bonn, Walentin Falin, den Verdacht, daß Wienand für einen östlichen Geheimdienst gearbeitet haben könnte. Brandt ließ daraufhin 1992 den Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes (BND), Konrad Porzner, befragen. Porzner hatte zu diesem Zeitpunkt jedoch keine Kenntnisse von einer geheimdienstlichen Verpflichtung Wienands. Im ZDF sagte Bahr gestern, er sei ebenso wie Rau und Vogel nach der ergebnislosen Anfrage beim BND davon ausgegangen, daß der Vorgang für Brandt ein „abgeschlossener, abgelegter Vermerk“ sei. Auch Brandt habe keine Veranlassung gesehen, die Staatsanwaltschaft zu informieren. Laut Focus prüft das Bundeskanzleramt derzeit, ob Porzner in diesem Zusammenhang seine Amtspflichten verletzt hat, weil er nach der Anfrage Brandts im Frühjahr 1992 weder das Bundesamt für Verfassungsschutz noch die Bundesregierung über dessen Verdacht informiert haben soll.

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