piwik no script img

Tschernobyls müde Atom-Ingenieure

■ Reaktorblock 3 nach falschem Alarm aus Versehen abgeschaltet

Kiew (taz/AP/dpa/rtr/AFP) – Der dritte Reaktorblock des Atomkraftwerks Tschernobyl ist in der Nacht von Sonntag auf Montag abgeschaltet worden. Über die Ursache gab es gestern widersprüchliche Informationen: Ein Kontrollinstrument am Kühlsystem habe falschen Alarm gegeben, sagte der Sprecher des ukrainischen Umwelt- und Reaktorministeriums, Georgi Weremejtschik. Die Nachrichtenagentur TASS sprach dagegen nur von einem „Bedienungsfehler des Personals“. Einig waren sich die ukrainischen Experten, daß keine Radioaktivität ausgetreten sei.

Die ukrainische Atomenergiekommission bezeichnete die Abschaltung als unangebracht und führte sie auf die Übermüdung des Bedienungspersonals zurück. „Sie haben eindeutig unprofessionell reagiert“, sagte der Chefingenieur der Kommission, Michail Djaschenko, gestern in Kiew. „Das Personal des Kraftwerks ist offenbar überarbeitet.“ Die Ingenieure hatten den Reaktor offenbar abgeschaltet, weil das elektronische Sicherheitssystem Alarm angezeigt hatte: In dem nur für Notfälle vorgesehenen Wasserkreislauf zur Kühlung des Reaktors war ein Leck entdeckt worden. Aus einem ähnlichen Grund war derselbe Reaktor schon einmal im Oktober letzten Jahres abgeschaltet worden. Am Mittwoch soll der Reaktor wieder hochgefahren werden.

Damit kann derzeit nur noch einer der vier Reaktoren Strom produzieren. Denn Block 2 ist seit einem Brand 1991 stillgelegt, und Block 4 verursachte im April 1986 das schwerste Unglück in der Geschichte der zivilen Nutzung der Atomenergie. Damals starben nach amtlichen Angaben achttausend Menschen, die weite Umgebung ist bis heute verseucht. Die GAU-Ruine ist seitdem unter einem zunehmend brüchigen Sarkophag aus Stahl und Zement eingeschlossen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen