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Pfusch treibt Mieter zur Hausbesetzung

■ Haus in Oslebshausen wartet auf Zwangsversteigerung / Baubehörde: „Einmaliger Pfusch“

So werden Menschen zu Hausbesetzern. „Wir sollten da einfach in die Wohnung reingehen. Die steht sowieso leer, wer hat dadurch einen Nachteil?“ Marianne Staudinger ist erbost. Seit das Bauaufsichtsamt vor einem knappen Jahr ein Kinderzimmer ihrer Wohnung dichtmachte, wohnt sie mit ihren vier Kindern in drei Zimmern. Die Kinder stören sich gegenseitig, können nicht richtig schlafen, werden aggressiv oder nicken im Schulunterricht ein, weil sie zuhause kein Auge zumachen. Gleich nebenan gibt es eine leerstehende Vierzimmer-Wohnung, doch den Schlüssel dazu rückt der Notverwalter nicht raus: „Hier ist niemand zuständig.“

Denn Marianne Staudinger wohnt in einem Neubaublock „Am großen Heck 5A“, gleich beim Oslebshauser Bahnhof, für den nie jemand wirklich zuständig war. Die Anlage mit 21 Wohnungen sorgt seit zwei Jahren bei Behörden und MieterInnen für graue Haare: Der Bauantrag wurde zwar genehmigt, doch die erforderliche Bauabnahme durch die Behörde fand nicht statt; das Gelände steht unter dem Verdacht, von Altlasten verseucht zu sein; das Bauordnungsamt monierte den fehlenden Brandschutz: Zwischenwände nur aus Holz, Räume ohne Fluchtwege, Treppenhäuser als Feuerfallen; Ratten tummelten sich am Müllcontainer, die MieterInnen klagen über starken Schimmelbefall an den Wänden, der sie krankmache: Letztes Jahr wurde ein Säugling in seinem Raum mit Atemstillstand aufgefunden und mit dem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus gebracht. Dem gesamten Gebäude fehlt nach Auskunft der Baubehörde der Nachweis für die Statik. „Ein solcher Pfusch am Gebäude ist einmalig in Bremen“, meint Rainer Imholze, Sprecher der Baubehörde.

Der Eigentümer, der Bremer Malermeister Norbert Brandt, besserte die Schäden trotz mehrfacher Aufforderung durch Behörden und MieterInnen nicht nach. Die Baubehörde, meint Imholze, habe dem Vermieter mit der Schließung des gesamten Gebäudes gedroht. Da zuckte der bedauernd mit den Schultern und meldete Konkurs an: Die insgesamt 54 MieterInnren saßen auf dem Trockenen. Das Gericht bestellte einen Notverwalter, die Bremische bot den MieterInnen Hilfe bei der Suche nach einer neuen Wohnung an. Als Notbehelf und „nur im Sinne der Mieter“ setzte die Bauaufsicht Mindeststandards durch: In fünf Wohnungen wurden Zimmer gesperrt, unter anderem das fensterlose Kinderzimmer in Staudingers Wohnung. Inzwischen haben bis auf sechs Parteien alle BewohnerInnen den Wohnblock verlassen.

Die Behörden fassen den Komplex „Am großen Heck 5A“ nur mit spitzen Fingern an: „Wir haben keine Beziehung zum Eigentümer“, heißt es vom Bauressort, „die Mieter müssen ihre Probleme mit ihm lösen“. Auch im Sozialressort ist man heilfroh, „keinerlei Rechtsbeziehungen mit dem Vermieter“ zu haben, sondern nur der Familie Staudinger die Miete zu überweisen und mit den Stadtwerken eine Einigung gefunden zu haben, daß den MieterInnen nicht der Strom abgedreht wird. Denn Miete zahlen die Staudingers nicht mehr: „Die Bank schickt uns das Geld zurück.“

Doch mit dem Eigentümer können die verbleibenden MiterInnen nichts klären. „Sobald der unseren Namen am Telefon hört, legt er auf“, meint Staudinger. „Der hat das Haus hier längst abgeschrieben und kümmert sich um nichts mehr“ meint auch Josef Teupe von der Notverwaltung. Dennoch sei Brandt der einzige, der den Staudingers einen Umzug in eine der größeren leeren Wohnungen erlauben könne.

Doch statt des Umzugs sollten sich die letzten MieterInnen lieber auf einen Auszug vorbereiten, meint Imholze. Zwar würden die Zustände von der Baubehörde geduldet, aber eigentlich seien sie nicht zu verantworten. „Die Leute sollten das Angebot der Bremischen annehmen, nach einer neuen Wohnung zu sehen. Wir haben ihn anwaltliche Hilfe angeboten, obwohl wir gar nicht zuständig sind.“ Doch die MieterInnen wollen nicht raus: „Ich wohne schon immer in Oslebshausen und den Kindern will ich einen dritten Schulwechsel in zwei Jahren nicht zumuten“, meint Marianne Staudinger.

Doch auch ein Umzug innerhalb des Wohnblocks wäre nicht von Dauer. Denn im April steht die Zwangsversteigerung für das Gebäude an. „Wenn das versteigert wird, wird den Mietern sowieso gekündigt“, heißt es. Doch selbst wenn sich bei der Versteigerung ein Käufer finden sollte, die Altlasten und die Frage nach Sanierung oder Abriß werden bleiben. „Ich mache jedenfalls drei Kreuze, wenn wir das Gebäude vom Hals haben“, meint Rainer Imholze.

bpo

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