Also doch Lötlampe

■ Beschlossen, erwachsen zu werden. Das A und O: eine klare geistige Haltung

Wieder in der „Lötlampe“. Barhocker, Tresen, Stammplatz. Schwere Bechergetränke. Müßte mich mehr zurückhalten. Bauch wäre mir gräßlich.

Bei Claudia neulich morgens nackt auf dem Klo gesessen. Ziemlich erschrocken über den eigenen Anblick im Spiegel. Kurz überlegt, ob Claudia Spaß daran hätte, ihre Gäste auf diese Art zu erniedrigen? Wozu sonst der riesige Spiegel gegenüber dem Klo? Sehr nachdenklich.

Vorsatz gefaßt: weniger essen; nicht mehr in die „Lötlampe“. Vorsatz fallengelassen: ordentlich gegessen, dann „Lampe“. Anderen Vorsatz gefaßt: nicht mehr zu Claudia. Neuer Mut. Schweres Bechergetränk.

Anruf von Claudia: sie habe ihr Schlafzimmer verspiegeln lassen. Ob ich's mir ansehen wolle? Kreative Schaffensphase vorgetäuscht. Aufgelegt.

Vor weiteren Nachstellungen geflohen: „Lötlampe“. Geistige Erfrischung. Das Angenehme an der „Lötlampe“: Claudia würde niemals hingegen. Auch die anderen nicht. Einmal allerdings mit der Moffner dagewesen. Das ist etwas anderes. Mit der Moffner ist es anders.

Kaum ein erbärmlicherer Anblick als ein einzelner Mann am Tresen. Und wie seine Jacke so am Haken baumelt; neben den Beinen. Mut gehört dazu. Sagt die Moffner. Mut. Oder Verzweiflung. Interessanter Gedanke. Aber ich weiß nicht.

So traurig im Januar. Deshalb besonders oft in der „Lampe“. Barhocker, Tresen, Stammplatz. Gibt meinem Leben Struktur. Brauche einen gewissen Rahmen. Eine Ordnung. Hänge die Jacke an den Haken vor den Knien. Keineswegs besonders mutig oder verzweifelt. Sitze gern allein. Und wohin sonst mit der Jacke. Die Haken sind gut. Die Moffner versteht nichts von Haken. Klare geistige Getränke.

Unklar die Sache mit Claudia. Sie zieht wieder zu ihrem alten Freund. Sagt sie.

Dann der tschechische Theaterregisseur. Verliebt. Sagt Claudia. Mit dem geht sie nach Prag. Nie wieder Berlin. Vielleicht besser, wenn wir uns nicht mehr sehen. Meint Claudia. Jetzt die Spiegel. Und daß ich bei ihr wohnen soll. Sagt Claudia.

Ich sei der einzige, mit dem sie's noch mal versuchen würde. Wenn ich nur ein bißchen mehr meine Gefühle zeigte. Sie sei Mitte Dreißig, sehnt sich nach Klarheit und Beständigkeit. Würde auch weniger trinken. Vielleicht heiraten? Kein schlechter Gedanke. Aber Barbara, Marion, Angelika? Was mit denen? Was mit Olga? Beschlossen, erwachsen zu werden. Mitte Vierzig. Abstinenz verordnet. Keine Eskapaden mehr. Keine Irritationen. Also „Lötlampe“.

Hocker, Tresen, Stammplatz. Meine Ruhe. Hierher kommen sie nicht.

Entsetzlicher Irrtum. Die Rothaarige gestern nacht. Zwei Stunden vor Schluß. Mich nach Kräften gewehrt. Ich schwör's.

Gar kein Spiegel im Bad ist auch nichts. Beim Rasieren heute morgen sehr geschnitten. H.P. Daniels