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Unionisten drohen mit Majors Sturz

Der Entwurf einer gemeinsamen nord- und südirischen Behörde bringt Irland der Einheit näher – und die großbritannientreuen Protestanten Nordirlands auf die Barrikaden  ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck

Alles spricht vom Frieden, da meldeten sich gestern die nordirischen, großbritannientreuen Unionisten zu Wort und warnten, Nordirland stehe vor der schwersten Krise in seiner Geschichte. Kein Wunder: Die Londoner Times hatte am Morgen einen Entwurf des anglo-irischen Rahmenplanes für Nordirland veröffentlicht, der „eine gemeinsame nord- und südirische Behörde mit radikaler Exekutivgewalt“ vorsieht – darunter politische Entscheidungen „für Gesamtirland in Hinblick auf die Herausforderungen und Möglichkeiten der Europäischen Union“. Ziel sei die „Harmonisierung zwischen Nord- und Südirland in den meisten politischen Bereichen“. Die Behörde soll von beiden Parlamenten durch Gesetze bevollmächtigt werden. Funktion und Macht der neuen Behörde sollen nach und nach ausgedehnt werden, um „mit der Integration beider Ökonomien Schritt zu halten“. Damit, so schlußfolgert die Times, sei „die Aussicht auf ein vereintes Irland größer als jemals zuvor seit der Teilung im Jahr 1920“.

Unionistische Politiker bezeichneten die Pläne als „Rezept für eine Katastrophe“. Die „Einmischung eines fremden Staates in nordirische Angelegenheiten“ werde man nicht hinnehmen, sagte James Molyneaux, der Vorsitzende der Ulster Unionist Party. Einige seiner Parteikollegen drohten, John Majors Tory-Regierung zu stürzen, falls der Rahmenplan tatsächlich eine gesamtirische Institution vorsehe. Seit Major Ende vergangenen Jahres neun rebellierende Hinterbänkler aus der Tory- Fraktion ausgeschlossen hat, verfügt er im Unterhaus über keine eigene Mehrheit und ist auf die Stimmen der Unionisten angewiesen.

So versuchten die Regierungen in Dublin und London gestern, den Schaden zu begrenzen. Der irische Premierminister John Bruton sagte, gegenüber der Times-Veröffentlichung sei Skepsis angebracht, die Verhandlungen seien noch nicht abgeschlossen. Der britische Nordirlandminister Patrick Mayhew bestätigte dagegen die Echtheit des Entwurfs: Die Worte seien authentisch, sagte er, aber die Schlußfolgerungen der Zeitung seien falsch. Am Abend wollte Major sich im Fernsehen äußern.

Auch von anderer Seite kommt die britische Regierung immer stärker unter Druck: Die Delegation der IRA-Partei Sinn Féin, die gestern zur vierten Vorgesprächsrunde mit britischen Regierungbeamten zusammentraf, gab zu dem Zeitungsbericht keinen Kommentar, doch ein hochrangiges Parteimitglied sagte, daß man nur noch an zwei weiteren Runden teilnehmen werde. Danach seien Allparteiengespräche fällig, wenn der Friedensprozeß nicht ernsthaft in Gefahr geraten solle.

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