: Ist Radiohören Sünde?
■ Polizeifunk-Hörer vor Gericht
Auf Christine Schindke wartete man gestern vor dem Amtsgericht Tiergarten vergeblich: Der ehemaligen verdeckten Ermittlerin, die offensichtlich für die Berliner Polizei jahrelang in der linken Szene unterwegs war, war von ihrem Dienstherren kurzfristig die Aussage vor Gericht untersagt worden. Dabei hätte Schindke den Angeklagten Michael T. möglicherweise massiv belasten können: Sie sollte bezeugen, daß der 29jährige von 1991 bis 1993 Funkprotokolle der Berliner Polizei erstellt und in linken Kreisen veröffentlicht hatte, mit dem Ziel, interne Polizeistrukturen publik zu machen.
Schindke selber hat nach Erkenntnissen des Ermittlungsausschusses im Mehringhof von 1988 bis 1993 die linke Szene in Berlin bespitzelt. Unter anderem soll sie bei SOS-Rassismus sowie bei der Vorbereitung der 1.-Mai-Demonstration 1993 und in der Nolympic-Bewegung aktiv geworden sein. Enttarnt wurde sie Anfang 1994 durch eine Veröffentlichung in der Szene-Zeitung Interim.
Nachdem die einzige Belastungszeugin nicht aussagen durfte, mußten die meisten Anklagepunkte fallengelassen werden: Verurteilt wurde Michael T. wegen „Verstoßes gegen das Fernmeldeanlagengesetz“ zu 50 Tagessätzen à 20 Mark. Die soll er dafür bezahlen, daß er von Mai bis September 1993 in seiner Kreuzberger Wohnung eine Anlage zum Abhören des Polizeifunks installiert hatte. Daß er die Informationen protokollierte oder veröffentlichte, konnte ihm nicht nachgewiesen werden. jgo
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