■ Press-Schlag: Das Wunderteam
Was würde Niki Pilic dafür geben, wenn Boris Becker mal wieder solch patriotische Sätze von sich geben würde, wie sie der Kroate Goran Ivanisevic am Fließband produziert. „Es ist eine unbeschreibliche Ehre, für mein Land zu spielen“, plappert dieser drauflos, im Davis- Cup sei er „doppelt so engagiert“ wie sonst, „denn hier schade ich mit einem Fehler nicht nur mir selbst, sondern meinem ganzen Volk“. Das Davis-Cup-Treffen am Wochenende in Karlsruhe erklärt der Aufschläger aus Split zum „wichtigsten Spiel unserer Geschichte“, weil es nämlich gegen Deutschland gehe, und die Deutschen seien in Kroatien schrecklich beliebt, weil sie das Land als erste offiziell anerkannten.
Bei so viel geballtem Nationalismus dürfte Niki Pilic unwillkürlich an frühere Zeiten denken, als vier Freunde 1988 in Göteborg erstmals den häßlichsten Cup der Welt gewannen, sich die Gesichter schwarzrotgold tünchten und sogar Boris Becker stets betonte, wie großartig es doch sei, „für Deutschland“ zu spielen. Doch diese Ära ist – glücklicherweise – vorbei, allein, Niki Pilic kann sich darüber nicht freuen. Hilflos muß der Kapitän des deutschen Davis-Cup-Teams mitansehen, wie Becker seinen Advokaten wochenlang um Millionen feilschen läßt, um dann plötzlich kurzfristig aufzutauchen, und, ätschbätsch, zu erklären, er sei ja gar kein Abzocker und spiele gern auch ohne besondere Bezahlung mit – wenn es ihm gerade mal danach sei.
Dankbar, was bleibt ihm anderes übrig, nimmt Pilic dies zur Kenntnis, und steht schon vor dem nächsten Problem. Geruhen die hohen Herren Becker und Stich, die ja erklärtermaßen nicht einmal zusammen Essen gehen würden, möglicherweise, gemeinsam Doppel zu spielen, oder muß doch der Zoecke ran? Erleichtert nimmt der Teamchef zur Kenntnis, daß sie beim Training auf einmal ganz ohne trennendes Netz Fußball spielen, Problem gelöst, Doppel geritzt. Das Team hat sich quasi von selbst aufgestellt.
„In dieser Besetzung sind wir eine der stärksten Davis- Cup-Mannschaften der Welt“, spricht Becker zielsicher den Grund für das ganze Kasperletheater an, zumindest gegen das Ein-Mann- Team Kroatien sollte eigentlich nichts schiefgehen. Heute um 13 Uhr beginnt Michael Stich gegen Ivanisevic, danach darf sich Becker gegen Sasa Hirszon, den 320. der Welt, für das samstägliche Doppel aufwärmen, das zum Knackpunkt werden könnte. Sollte nämlich, was eigentlich keiner glaubt, Ivanisevic seine beiden Einzel gewinnen, wäre ein Sieg gegen Ivanisevic/Hirszon, die ein starkes Doppel bilden, für Becker/Stich die einzige Chance, jenem tosenden Gelächter zu entgehen, das sich erheben würde, wenn jenes mit soviel schildbürgerlicher Energie zusammengekleisterte Wunderteam gleich in der ersten Runde ausscheiden sollte. Matti
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