Village Voice: Herumstehende Portionen Spaß
■ Demnächst vielleicht sogar auf deiner Party: big light und Mr. Ed Jumps The Gun
Wie es scheint, ist „High Density“, das 93er Album von big light, in allen Cocktailbars und Dancerooms dieser Stadt schwer zum Einsatz gekommen. Ihr Neuling schließt musikalisch und haltungsmäßig nahtlos an den Vorgänger an, plant allein schon im großspurigen Titel, „Pop 2000“, den Schritt ins nächste Jahrhundert.
Für big light gibt es keinen rockistisch-wehmütigen Blick mehr zurück. Von ihrer wenig glorreichen Vergangenheit wollen sie nichts mehr wissen, die wird im üppigen Info schlicht unterschlagen. Die Welt wird jetzt mit Samples, Stil und Soul erobert – bitte schön, hereinspaziert ins big-light-Universum, wo „an der Schwelle zum 21. Jahrhundert Computer auch mit Seele gefüttert werden können“ (Info)!
Ob das so ist, sei von hier aus mal dahingestellt. Sänger Karlo Hackenberger schnarrt immer noch so cool in die Mikros, als hätte sein Programmdirektor Sven Häusler seine Stimme gleich mit eingespeichert, die vielbeschworenen Grooves pumpen sich ziemlich insuffizient durch die Songs, und überhaupt: Soul ist ja nicht immer gleich hundertprozentige Perfektion – auf die sich hier siebzehn Stücke lang eine Menge eingebildet wird. Bei big light ist alles fett und maßgeschneidert, nichts darf fehlen, kein Jazz, kein Acid, kein Funk, kein Larifari. Darüber hinaus ist „Pop 2000“ dermaßen viel mit Kram wie einem Gospel(!)-Chor, mit Schmeicheleien wie Bläsern und Streichern vollgestopft, daß man vor lauter Eleganz und Komplexität (uuuuurgh!) nicht weiß, wohin mit den Öhrchen. [Na: Anlegen, notfalls! d. säzzer] Säuft man voll drin ab.
Hits fallen trotzdem an, denn mit solchen Zukunftsentwürfen schlägt man breite Schneisen in die Konsumentenschaft, und die Radios finden's cool und lässig. Und bald dürfen big light statt im Vorprogramm von Terry Hoax vielleicht mal zusammen mit Geisteskumpels wie Galliano oder Jamiroquai (oder gar Paul Weller?) spielen.
Erfolg ist, wenn viel Promotion trotzdem auch viel einbringt. Bei Mr. Ed Jumps The Gun war's neulich eine Record-Release- Party im SO 36, wo sich geladene Gäste und zahlendes Publikum ein Stelldichein geben durften. Das Fußvolk, sprich: die Zahlenden und Mr.-Ed-Platten-Kaufenden, mußte sich am Ende aber, als so Vielversprechendes wie ein Buffet und elektrisches Bullenreiten (?) geboten wurde, trollen. That's entertainment, sicher nicht im Sinne der Berliner Penispopper.
Ihr Debütalbum ist eine knackige Kreuzung aus Funk, Metal, Rap und den Beastie Boys geworden, ein Sound, auf den wir sozusagen seit Urzeiten warten, den wir aber so gut wie nie zu hören bekamen, ausgenommen bei: Rage Against The Machine, 24-7 Spyz, Chili Peppers, Heads Up und Scharen anderer uns mit ähnlichem Crossovermurks eindeckenden Bands.
Mr. Ed wissen das, geben aber nicht einmal einen winzigen Fuck darauf. Manchmal geben sie einfach Gas, manchmal breaken sie den Noise, und Vorbilder kann nun keiner aus der Welt schaffen. Beim Hören machen sich jedenfalls immer die haufenweise im Vordergrund stehenden Portionen Spaß bemerkbar – they kick this just for fun.
Da kommt dann öfters der Beat bei raus, zu dem man einfach mitmuß, da pfeift man den AC/DC-Gassenhauer „TNT“ schon mal unter der Dusche, klinkt sich beim notorischen „Wild Thing“ ein und vergißt nervtötendes wie „Fuck Your System“. Demnächst vielleicht auch auf deiner Party – mit eigenen Gästen und eigenen Bullen! Gerrit Bartels
big light: „Pop 2000“ (Spv)
Mr. Ed Jumps The Gun: „Boom Boom“ (EMI)
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