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Der Stoff, aus dem Jurassic Park ist

■ Bernstein: alt, schön, ölig und harzig, brennt und duftet und haust in blauer Erde

Bernstein ist das fossile Harz hundert Millionen Jahre alter Nadelbäume, es sind die Reste von Wäldern, die es nicht mehr gibt. Die größten Bernsteinvorkommen finden sich an der Ostseeküste, vor allem an der Nord- und Westküste des alten Samland, heute Oblast Kaliningrad. Die Platten und Steine zum berühmten und wahrscheinlich 1945 verbrannten Bernsteinzimmer (eine Auftragsarbeit des preußischen Königs FriedrichI, fertiggestellt 1711) stammen von dort.

Es gibt durchsichtiges, gelbes, rotbraunes, trüb weißliches und – besonders selten – leicht blau schimmerndes Bernstein. Es enthält ätherische Öle und zwei verschiedene Sorten von Harz, oftmals auch sogenannte Einschlüsse, das heißt Fliegen, Ameisen, Nadelreste. Ab 287 Grad Celsius verbrennt Bernstein, daher nannte man ihn früher „Brennstein“. Er brennt mit heller Flamme und verbreitet dabei einen angenehmen Geruch. Bernstein ist seit dem Altertum als Schmuckstein bekannt, andere Verwendungsarten gibt es nicht. Bernstein war immer nur schön.

90 Prozent des Weltvorkommens stammen heute aus dem Bernsteingebiet um Palmnicken. Kommerziell abgebaut wird dort seit etwa 1860. Seit 1899 ist die Grube in staatlichem Besitz. Erst gehörte sie dem Deutschen Reich, seit 1945 der Sowjetunion. Derzeit sind die Besitzverhältnisse ungeklärt.

Bis 1923 wurde Bernstein in der dicht am Strand liegenden „Grube Anna“ unterirdisch gewonnen, seither im Obertagebau etwas östlich von Palmnicken. Abräumbagger legen die Bernsteinschicht frei, diese kilometerlange und etwa 100 Meter dicke Schicht heißt „Blaue Erde“. Diese Erde wird nach Bernstein ausgewaschen und in Abraummassen wieder ins Meer gekippt. Der allergrößte Teil des Rohbernsteins wurde bisher als Devisenbringer verkauft. Die bekannteste deutsche Bernsteinmanufaktur ist die Firma Kolletzki in Erbach/Odenwald.

Ebenfalls seit der Jahrhundertwende gibt es die Bernsteinfabrik in Palmnicken. In dem dortigen, heute geschlossenen Firmenmuseum sind die berühmtesten Stücke zu besichtigen. Bis in die siebziger Jahre hinein war die Arbeit am Bernstein reine Handarbeit. Die Steinstücke wurden geschnitzt, gefeilt, geschliffen oder in Olivenform „geklöwt“. Das bedeutet, Rohlinge werden in Form gehackt und anschließend auf Hochglanz poliert. Der Abfall wurde und wird geschmolzen und meist zu Perlen oder Zigarettenspitzen gepreßt. Heute werden die Perlen meistens „getrommelt“: Man wirft die Stücke in eine Maschinentrommel, wo sie rund geschlagen und glattgeschmirgelt werden.

Den wertloseren Preßbernstein erkennt man an seiner Durchsichtigkeit. Sie haben keine „Einschlüsse“ oder sonstige Spuren von Natur. Billig-Bernsteinketten, vor allem die, die von fliegenden Händlern verkauft werden, bestehen zumeist aus „Bernat“. Um ein winziges Stückchen Naturbernstein wird Kunstharz, also Plastik gegossen. Diese Kunstharz-Bernat-Ketten sind mit bloßem Augen von echten kaum zu unterscheiden. Doch der Brenntest bringt Gewißheit: Tropft der Bernstein, ist er echt, schmort und stinkt es, war er keiner.

Fachleute schätzen, daß die Bernsteinküste im Samland in etwa fünfzig Jahren abgeräumt sein wird. Erst dann, wenn er selten wird, könnte er wirklich wertvoll werden. Ein Kilo Rohbernstein kostete vor zehn Jahren etwa 1.000 Mark.

Konjunktur hatte der Schmuckstein in den fünfziger Jahren. Heute feiert er überraschend Renaissance – durch Steven Spielbergs Dino-Thriller „Jurassic Park“. Der Plot: Wissenschaftler melken eine im harzigen Bernstein konservierte, prähistorische Stechmücke, die kurz vor ihrem Tod an einem Dino gesaugt hat. Aus dem Tropfen Dinoblut extrahiert man Dino-DNS und züchtet daraus neue Saurier. Anita Kugler

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