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Der Ampel geht das gelbe Licht aus

■ FDP fordert Rücktritt von Fücks / Wedemeier: Lieber Neuwahlen als eine neue Koalition

Bremen steuert auf schnelle Neuwahlen zu. Nachdem die FDP gestern nachmittag den Rücktritt von Umweltsenator Ralf Fücks forderte, erklärte Bürgermeister Klaus Wedemeier am Abend: „Ein Weitermachen ohne die FDP oder eine neue Koalition ist kurz vor Ablauf der Legislaturperiode nicht angebracht. Deshalb schließe ich vorgezogene Neuwahlen nicht mehr aus. Ohne die Wähler zu befragen, kann es keine neue Regierung geben.“

Wie sich die FDP zu dem Mißtrauensantrag der CDU gegen den grünen Umweltsenator verhält, will sie heute abend endgültig entscheiden. Einzelne FDP-Abgeordnete kündigten gestern aber bereits an, daß ihre Fraktion mit der CDU stimmen werde. Ihre Teilnahme an dem für gestern abend einberufenen Ampel-Koalitionsausschuß hat die FDP deshalb gestern nachmittag abgesagt.

„Dieses Verhalten ist eine Brüskierung der Koalitionspartner“, kritisierte Wedemeier die FDP. Und zum Anlaß der FDP-Rücktrittsforderung, dem Ausweisen von Vogelschutzgebieten am Senat vorbei (siehe unten): „Diese Sache gibt weder Anlaß für ein Mißtrauensvotum noch für einen Koalitionsbruch.“ Fücks habe inzwischen alle Voraussetzungen für die Ablehnung des CDU-Mißtrauenvotums erfüllt. Wedemeier: „Es stellt sich die Frage, ob die FDP wie 1971 die Koalition vorzeitig verlassen will, obwohl Fücks die Forderung der FDP-Fraktion erfüllt hat.“ 1971 hatte die FDP mit ihrem Koalitionsausstieg bei der nächsten Wahl der SPD zur absoluten Mehrheit verholfen.

Stimmt die FDP dem Mißtrauensantrag gegen Fücks zu, wird er in der Bürgerschaft wahrscheinlich eine Mehrheit finden. Zwar verfügen SPD und Grüne gemeinsam noch über 51 der 100 Bürgerschafts-Sitze, doch in einer Probeabstimmung kündigten gestern abend drei SPD-Abgeordnete ihre Zustimmung zum Mißtrauensvotum an, darunter der UB-West-Vorsitzende Peter Sakuth und Fraktionsvorstand Reinhard Barsuhn.

Kommt es zum Ausstieg der FDP aus der Ampel, steht Neuwahlen nichts mehr im Weg. Zu der seit dem Inkrafttreten der geänderten Bremer Landesverfassung erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit zur Selbstauflösung der Bürgerschaft will die CDU auf jeden Fall beitragen. Fraktionsvorstand Reinhard Metz gestern abend: „Wir sind für Neuwahlen – je eher, desto besser.“

Der Ampelstreit hatte sich gestern im Lauf des Tages dramatisch zugespitzt. Noch während Fücks in einer Pressekonferenz die Rücknahme der umstrittenen Vogelschutz-Anmeldungen bei der Europäischen Union bekanntgab und damit alle bis dahin erhobenen Forderungen der Kolaitionspartner FDP und SPD erfüllte, brummte im FDP-Haus das Faxgerät. FDP-Landesparteichef Manfred Richter forderte in einer öffentlichen Erklärung den grünen Senator zum Rücktritt auf. Der solle persönliche Konsequenzen daraus ziehen, daß sein Haus verfassungswidrig und am Senat vorbei die insgesamt 6.500 Bremer Hektar zum Vogelschutzgebiet angemeldet hatte. Richter: Der Rücktritt sei nichts anderes als „ein Gebot der politischen Hygiene“.

Fücks allerdings denkt nicht daran, sein Amt hinzuschmeißen. „Ich habe keinen Grund, das Feld zu räumen. Der Vorgang ist nichts anderes, als der Teil eines vorgezogenen Machtkampfes, wer Bremen regiert.“ Und darin wird er von der grünen Fraktion in seltener Einmütigkeit unterstützt. „Die Anmeldung der Vogelschutzgebiete am Senat vorbei war ein drastischer Fehler“, fand Fraktionssprecherin Elisabeth Hackstein. „Aber der ist korrigiert, das Mißtrauensvotum ist obsolet geworden.“ Wenn die FDP mit der CDU gegen Fücks stimme, kündige sie die Koalition auf.

Der heftige Vorstoß der FDP war gestern überraschend gekommen. Eine ganze Woche lang hatten die Liberalen strikt auf der Sachebene argumentiert. Kann die Anmeldung der Vogelschutzgebiete zurückgenommen werden oder nicht? – das schien die entscheidende Frage zu sein. Die war gestern aber geklärt. Fücks hatte am Vormittag genau diese Forderung erfüllt: Die ganze Angelegenheit werde bei der EU revidiert, der Senat müsse entscheiden, sein Ressort habe einen Fehler gemacht, aber der werde jetzt wieder ausgebügelt.

Das sahen die Liberalen aber plötzlich ganz anders. Jetzt kam es in allen Erklärungen nur noch auf einen Punkt an: Die Anmeldung sei ein derart gravierender Verstoß gegen die Verfassung (nach der eine so wichtige Entscheidung in den Senat gehört) und der Vertrauensbasis in der Koalition gewesen, daß der Senator nun seinen Hut nehmen müsse. „Das ist natürlich einen Rücktritt wert“, sagte gestern auch Axel Adamietz, Bürgerschaftsabgeordneter und FDP-Landesvorstandsmitglied. Es seien schließlich schon Innenminister zurückgetreten, nur weil ein Gefangener ausgebrochen sei. Das fand gestern auch FDP-Fraktionschef Heinrich Welke. Der wollte sich aber eigentlich am liebsten gar nicht äußern, „um die Entscheidung des Landesvorstandes nicht zu beeinflussen.“

Axel Adamietz erklärte für die FDP, daß es keine Aufkündigung des Koalitionsvertrages sei, wenn seine Fraktion gegen Fücks stimmen würde – „wovon ich ausgehe“, sagte er. „Ich kann mir eine Fortsetzung mit einem anderen grünen Umweltsenator vorstellen.“ Die Grünen seien es, die das Schicksal ihrer Regierungsbeteiligung an die Person Fücks gehängt hätten. Wenn sie daran die Koalition zerbrechen ließen, dann sei das ihr Problem.

„Die Rücktrittsforderung ist Unsinnig“, erklärten die Grünen gestern daraufhin. Schließlich habe Fücks alle sachlichen Forderungen der FDP längst erfüllt. Ase/J.G.

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