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Eine „unerquickliche“ Verwechslung

■ Datenschutz bei der Bundeswehr: Schlamperei mit privaten Dokumenten

Mit großer Verwunderung stellte Kai E. im Januar fest, daß bei ärztlichen Attesten, die ihm das Kreiswehrersatzamt (KWE) nach seinem Bescheid zur Wehrdienstuntauglichkeit zurückschickte, ein Attest dabei war, das gar nicht ihm gehörte, sondern jemandem, der sein Fernbleiben zum Musterungstermin entschuldigte.

Der Leiter des Kreiswehrersatzamtes Berlin I, Bernhard Steimle, kann sich die Verwechslung nicht erklären. „Das darf nicht passieren und muß verifiziert werden“, sagte er zur taz. Bis er jedoch das falsche Attest nicht vorliegen hat, steht für ihn „Aussage gegen Aussage“. Wenn Kai E. tatsächlich ein falsches Attest ausgehändigt worden sei, solle er ihm dieses „unverzüglich schicken“. Er habe am Freitag einen Sachbearbeiter angewiesen, Kai E. einen Brief mit der entsprechenden Aufforderung zu schicken. Kai E., der vom Kreiswehrersatzamt einen „vertraulichen Umgang mit persönlichen Unterlagen“ erwartet, machte Anfang des Jahres eine Dienstaufsichtsbeschwerde.

Die Pressesprecherin des Bundesbeauftragten für Datenschutz, Helga Schumacher, sagte zur taz, daß es „ab und an mal vorkommt“, daß vom KWE falsche Unterlagen verschickt werden. Bezogen auf die etwa 200.000 bis 300.000 Gemusterten pro Jahr, sei das zwar sehr wenig, aber „unerquicklich“. Sie vermutet „Schlamperei der Mitarbeiter“ hinter der Verwechslung. Auch wenn das KWE in Berlin noch „untrainiert und im Aufbau befindlich ist“, dürfe so etwas nicht passieren. Schließlich gibt es zu jedem Vorgang eine Personenkennziffer, die den Mitarbeitern „in Fleisch und Blut übergegangen sein“ müßte. Da die Musterung mit einem „sehr persönlichen Bereich der Privatsphäre“ zu tun habe, müsse der Staat ein „hohes Maß an Sorgfalt“ walten lassen, so Schumacher weiter.

Falls das Entschuldigungsschreiben aus einem laufenden Verfahren stamme, hätte dies „möglicherweise Konsequenzen für den Betroffenen“. Dann könnte er mit einem „Schreiben in einem schärferen Ton“ oder gar einem Bußgeldbescheid rechnen. Handelt es sich um einen abgeschlossenen Vorgang, sei es um so verwunderlicher, wie es zu der Verwechslung kommen konnte. Normalerweise werden Personalakten von Grundwehrdienstleistenden und Wehrdienstuntauglichen bis zum Alter von 32 Jahren aufbewahrt. Dann läuft die Wehrüberwachung ab, und die Unterlagen werden vom KWE vernichtet.

Auf die komplette Rücksendung seiner Unterlagen, die er im Sommer letzten Jahres dem KWE geschickt hat, wartet Kai E. noch immer. Nach mehreren Mahnschreiben hatte er im Oktober letzten Jahres ein Attest und vor zwei Wochen sechs weitere Atteste erhalten, die „zerrissen und zerfetzt“ waren. Eins davon war das Schreiben eines anderen Vorgangs.

Was die Rücksendung der kompletten Unterlagen betrifft, geht Steimle von einem „Mißverständnis“ aus. Er habe geglaubt, Kai E. wolle nur die Unterlagen seines Widerspruchverfahrens zurückhaben. Die ärztliche Dienststelle habe E.s Unterlagen in der Zwischenzeit gefunden. In den nächsten Tagen werden sie Kai E. zugeschickt. Barbara Bollwahn

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