■ Die PDS und ihr Westkurs: Kiez-Liebesentzug
Mit der Westausdehnung erging es der PDS bis vor kurzem noch wie jenen gutmeinenden Basisinitiativen, die das linke Milieu hervorbringt: Alle dürfen mitmischen. Nur am Ende weiß niemand mehr, warum man überhaupt zusammengekommen ist. Von Kreuzberg aus, wo die Reste eines einst rebellischen Völkchens sich den kalten Winden entgegenstemmen, will die Berliner PDS am 22. Oktober ihren Wahlkampf im früheren Feindesland krönen. Doch das Fanal zum Durchbruch scheint schon vor Beginn aller Mühsal in einem erbärmlichen Trötenton zu enden. Der heimliche Chef der Kreuzberger PDS—Linken, Dirk Schneider, trat am Wochenende aus dem Landesvorstand zurück. Gescheitert war sein Konzept, die Westgruppen finanziell und politisch unabhängig zu halten.
Auf ihrem Marsch hinein in die Institutionen kann die Mehrheits-PDS keine unberechenbaren Vögel gebrauchen. Es ist daher nur allzu konsequent: Wer die Kommunistische Plattform in die Schranken weist, kann auch nicht vor suspekten Westlinken haltmachen. Der administrative Durchgriff, mit dem nichtkonformen Bezirksgruppen im Notfall die finanzielle Hilfe entzogen werden kann, muß vielen Westlinken wie Liebesentzug vorkommen.
Verwechselt doch die Masse derer, die sich in Westberlin der Gysi-Truppe zuwenden, den öffentlichen Ärger, den die PDS bei SPD, CDU und Bündnisgrünen auslöst, mit radikaler Fundamentalopposition. Dabei hätte zu Beginn der Beziehungskiste eine gründliche Analyse manche spätere Enttäuschung ersparen können: Den Kiezrevolutionären wäre schnell aufgegangen, daß auch mit dieser Partei allenfalls Lampen zu putzen, aber nicht zu zerstören sind. Severin Weiland
Siehe Interview Seite 22
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