: Tätowierter Arsch bringt Neuseeland zum Platzen
■ Militante Maori-Proteste bewirken Abbruch der Feiern zum Nationalfeiertag
Waitangi (AFP/rtr/taz) – Ein Eklat hat gestern in Neuseeland die Feiern zum Nationalfeiertag, dem Waitangi-Tag, dermaßen gestört, daß sie kurzerhand abgebrochen werden mußten. Aktivisten des Ureinwohnervolkes der Maori hatten mit Protestaktionen sämtliche Zeremonien unmöglich gemacht. Üblicherweise klingen die Waitangi-Feiern – benannt nach dem Ort, wo die Eingeborenen und die britischen Kolonialherren im Jahre 1840 einen Vertrag über die Anerkennung der britischen Herrschaft schlossen – mit Tänzen und Reden auf dem Rasen vor dem Waitangi-Haus aus. Diesmal jedoch war der Platz von 500 Maori-Aktivisten besetzt, die anstelle der neuseeländischen Flagge ihre eigene gehißt hatten. Zuvor hatten sie versucht, das historische Waitangi-Haus anzuzünden.
Zum Auftakt des Waitangi-Debakels war die Gouverneurin Catherine Tizard von einem militanten Maori angespuckt worden, auf der neuseeländischen Flagge wurde herumgetrampelt, und Premierminister Jim Bolger konnte keinen Schritt tun, ohne lautstark ausgebuht zu werden. Die Krone der Kränkungen leistete Tame Iti vom Volk der Tuhoe: Während eines Kriegstanzes richtete er sein blankes, tätowiertes Hinterteil in Richtung der Gouverneurin. Dies ist eine der schwersten Beleidigungen in der Maori-Kultur und wurde zuletzt in den 70er Jahren bei einem Besuch des britischen Thronfolgers Prinz Charles angewendet. Vizepremierminister Don McKinnon trat in der Dämmerung vor die Besucher und sagte, die Abschlußfeier müsse ausfallen, da es der Kriegsmarine nicht zugemutet werden könne, ihre Parade unter der Maori-Flagge abzuhalten. Die Ankündigung löste Jubelstürme bei den Maori aus. Als die offiziellen Gäste schließlich entnervt aufbrachen, gab es auch noch eine Schlägerei zwischen Maori und Polizei.
Im Waitangi-Vertrag von 1840 hatten die Maori die Herrschaft der britischen Krone über ihr Land anerkannt, und im Gegenzug hatten die Briten den Maori ihren Landbesitz garantiert, indem allein der Krone das Recht auf Landerwerb zugesprochen wurde. Als die Siedler aus Europa sich dann auch ohne rechtliche Grundlage Land nahmen, kam es in den folgenden Jahrzehnten zu blutigen Eroberungskriegen, in denen sich der britische Staat hinter die Siedler stellte und ihnen 1865 schließlich erlaubte, auf eigene Faust Land zu kaufen. Daß die Maori-Bevölkerung bis 1900 von 200.000 auf 20.000 Menschen schrumpfte und nur noch etwa zwei Prozent ihres Grundbesitzes behielt, zeigt, daß dabei nicht immer die feine englische Art beachtet wurde.
Die Maoris sind seitdem marginalisiert und bilden zumeist die Unterschicht der neuseeländischen Großstädte. Das starke Wachstum der Maori-Minderheit in jüngster Zeit hat jedoch ihr politisches Gewicht wieder verstärkt. 1990 wurde ein „Maori Congress“ gegründet, der die Regierung dazu aufforderte, dem Waitangi-Vertrag endlich Geltung zu verschaffen. 1992 gründete die Regierung ein Maori-Ministerium und sagte zu, die Rechtmäßigkeit der Eigentumsveränderungen des 19. Jahrhunderts zu überprüfen, gegebenenfalls Entschädigungen zu zahlen oder staatliches Land auch zurückzugeben.
Kurz vor dem diesjährigen Nationalfeiertag hatte die Regierung angekündigt, für Gebietsansprüche der Maori werde eine Frist gesetzt, und außerdem werde die Landrückgabe den Wert von einer Milliarde neuseeländischer Dollar (etwa 950 Millionen Mark) nicht überschreiten. Die Maori kritisierten das. „Wir klagen Sie des Diebstahls und der Vergewaltigung allen Landes in Aotearoa (Neuseeland) an“, sagte Maori-Sprecher Matiu Tarawa den zum Waitangi- Tag versammelten Gästen. Die Annäherung zwischen Weiß und Schwarz auf Neuseeland scheint in schwieriges Fahrwasser zu geraten. D. J.
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