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Neonazis ermorden vier Roma

■ Die mysteriöse Bombenexplosion im österreichischen Burgenland war offenbar ein gezieltes Attentat

Wien (taz) – Bei einem gezielten Anschlag auf eine Roma-Siedlung im burgenländischen Oberwart sind am Sonntag vier Männer durch eine Rohrbombe ermordet worden. Gestern explodierte im Nachbarort Stirnatz auf der Mülldeponie ein weiterer Sprengsatz. Dabei wurde einem kroatischstämmigen Österreicher die Hand verstümmelt. Nach Angaben des Wiener Innenministeriums gehen beide Anschläge aller Wahrscheinlichkeit nach auf das Konto von Neofaschisten.

Die unbekannten Täter müssen ihren Plan seit langem ausgeheckt und dann kaltblütig durchgeführt haben: Schon in der Nacht zum Freitag rammten sie unweit einer Roma-Siedlung am Stadtrand von Oberwart ein Metallschild in die Erde, auf dem es hieß: „Roma zurück nach Indien“. Einige Stunden später versuchten empörte Roma, das Ärgernis wegzuräumen – vergebens. Die Attentäter hatten das Schild so tief in der Erde verankert, daß es mit einfachen Handgriffen nicht zu entfernen war. Am Sonntag wollten dann vier Roma-Männer mit Spaten und Hacken das Schild aus dem Boden reißen. Beim Abtragen der Erde detonierte ein Sprengsatz: Die Männer im Alter von 18 und 40 Jahren waren auf der Stelle tot.

Empörung und Entsetzen am Tag danach: Am Tatort versammelten sich spontan Menschen zu Mahnwachen, in den Dörfern der Region gab es Schweigemärsche. In Wien erklärte Bundeskanzler Franz Vranitzky: „Österreich steht mit Abscheu und Ekel vor den Anschlägen gegen die Roma-Volksgruppe.“ Innenminister Franz Löschnack forderte die Bevölkerung auf, auf das Bewegen und Entleeren von Müllcontainern vorerst zu verzichten. Er schloß eine Querverbindung zu den Briefbombenanschlägen im vergangenen Jahr nicht aus. Damals waren beim Wiener Oberbürgermeister Zilk, bei Abgeordneten der Grünen Partei und einigen Ausländerinitiativen mehrere Briefbomben explodiert. Die Sprengsätze waren von dem Neonazi Peter Binder zusammen mit Gesinnungsgenossen der verbotenen „Kameradschaft Babenberg“ hergestellt worden. Querverbindungen dieser Truppe zu dem inzwischen ebenfalls verhafteten Führer der VAPO (Volkstreue Außerparlamentarische Opposition), Gottfried Küssel, und deutschen Neonazis wurden damals festgestellt.

Auch bei den beiden jüngsten Anschlägen im Burgenland sollen die Täter den gleichen oder zumindest einen ähnlichen Sprengstoff verwendet haben wie in der Vergangenheit. Rechtsradikale Gruppen hatten in ihren Hetzschriften schon seit längerem „Aktionen“ gegen Roma angekündigt. Ein Dorn im Auge ist den braunen Ideologen vor allem das im Dezember 1993 verabschiedete Minderheitengesetz, das Roma neben Kroaten, Ungarn und Slowenen als ansässige Volksgruppe Österreichs definiert.

Im Burgenland siedeln Roma seit dem 15. Jahrhundert in eigenen Dorfgemeinschaften. Im Dritten Reich entstand im burgenländischen Lappenbach ein Roma-KZ, nur 13 von damals 350 Inhaftierten aus Oberwart entgingen der Ermordung. Einer von ihnen wurde nun bei dem Anschlag verletzt – zwei seiner Enkelkinder starben beim Versuch, das Hetzschild zu entfernen. Karl Gersuny

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