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Gut gegen schlechten Wind

■ "Wie schön, dich lebend zu sehen": Heute startet die 3sat-Reihe "Frauen führen Regie: Lateinamerika"

Treueschwüre, Betrug, Liebestod. Stürmische Küsse, die den Geküßten fast das Rückgrat brechen. Wo immer das lateinamerikanische Kino in den Vierzigern und Fünfzigern von Liebe und Obsession, von Opfer und Revolte erzählte, fand sich im Männerbild von der Frau die alte Dialektik von Heiliger und Hure. Ein Topos, mit dem sich die Regisseurinnen Mittel- und Südamerikas immer wieder parodistisch und kritisch auseinandersetzen – wenn man sie nur läßt. In Kuba, bekannt für seine großzügige Filmförderung, werden die Filmhochschulen zwar zunehmend von Frauen bevölkert, hinter der Kamera duldet man sie jedoch meist nur als Assistentinnen. „In gewisser Hinsicht“, ein Film von Sara Gómez, der die Riten des Machismos vorführt und den Geschlechterkampf aus den Melodramen von einst neu inszeniert, ist bis heute der einzig abendfüllende kubanische Spielfilm unter der Regie einer Frau. In der Reihe „Frauen führen Regie“ hat 3sat diesen (am 24.2.) und 17 weitere Spiel- und Dokumentarfilme aus Lateinamerika ins deutsche Programm geholt.

Auch die Argentinierin Maria Louisa Bemberg spielt mit Versatzstücken des Melodrams und seinen tradierten Frauenbildern. Wenn ihrer Hausherrin in „Die Leidenschaft der Miss Mary“ (15.2.) nicht wohl ist, geht sie in ihr privates „Heulzimmer“. Ein wöchentliches Ritual, das allen Familienmitgliedern hilft, es miteinander auszuhalten. Bemberg gibt mit ihrem Film ein dekadentes Großbürgertum zur Besichtigung frei, dessen Angehörige vor lauter Lethargie und Konvention es nicht fertiggebracht haben, ihre Träume vom individuellen Glück einzulösen. Sie schildert eine Welt, in der männliche Unterwerfungsstrategien zum guten Ton gehören und weibliche Eigenschaften nach Heiratstauglichkeit bemessen werden. Ihre Bilder beschreiben nicht nur die Folgen des spanischen Imperialismus, sondern auch eine patriarchale Kolonialgeschichte der Sexualität.

In Bembergs „Ich, die Schlechteste von allen“ (13.2.) betritt Sor Juana vermintes Gebiet. Für die mexikanische Nonne ist das Zölibat Schutz und einzige Chance, als Frau im 17. Jahrhundert Zugang zu rationalistischen Philosophien, Astronomie und Lyrik zu erlangen. Doch auf die Dauer können die Kirchenmänner nicht dulden, daß eine Braut Jesu devote Hingabe an die Religion gegen „teuflische Erfindungsgabe“ und „Urteilskraft“ eintauscht. Eine intellektuelle Revolte, die mit Verdammung bestraft wird.

Im Gegensatz zu Bemberg, der ihre Tendenz zur Hollywood-Ästhetik vorgeworfen wurde, holen viele ihrer Kolleginnen den Alltag der Frauen auf die Leinwand. Sie zeigen ihr Leben unter Militärdiktaturen, lassen die Opfer von Folter und Junta-Schikanen zu Wort kommen wie Lúcia Murat in „Wie schön, dich lebend zu sehen“ (10.2.) und „Einige Frauen“ von Sabrina Farij (13.3.) oder beschreiben Individuationsgeschichten und Befreiungsversuche junger Frauen wie in „Eine Frau namens Lola“ (13.3.) von Maria Novaro, „Das Dienstmädchen“ von Dora Guerra (17.3.) oder „Wenn einmal ein Mann kommt“ von Valeria Sarmiento (17.2.).

Die meisten unter den Dokumentarfilmerinnen verstehen ihre Arbeiten als filmische „Entkolonisierung“ und Gegenposition zum offiziellen Kino ihres Landes. Eine der konsequentesten Vertreterinnen dieser Gegenöffentlichkeit ist Martha Rodriguez. Fünf Jahre begleitete die Kolumbianerin den Kampf einer Indio-Gruppe um Ackerboden und bessere Arbeitsbedingungen in „Erinnerungen an Freiheit“ (3.3.). In Rodriguez' spröden und zurückhaltenden Bildern finden Aber- und Gottesglauben, Unterdrückung und Widerstand nebeneinander Platz.

„Die sind gut gegen schlechten Wind“, sagt einmal eine Landarbeiterin und hält Taubenfedern in die Kamera. Und wenn sie im selben Atemzug erklärt, ihr Mann werfe ihr im Zorn „meinen Kampf um unseren Boden vor oder daß ich mich zuviel mit den Genossen herumtreibe“, spricht sie gleichzeitig für viele Heldinnen der Film- Reihe. Birgit Glombitza

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