piwik no script img

Kuhhändel contra Paragraphen

■ Drei Müllsünder vor Gericht: Über Pferdemist, Bauschutt und alte Schulhefte

Wehret den unschuldsvollen Entsorgungskünstlern – drei Müllsünder saßen mit ihren Fällen gestern vorm Amtsgericht:

Bauer Hans-Jörg K. war für einen „Kuhhandel“ in den Gerichtssaal gezogen. Es ging um einen Bußgeldbescheid wegen „Gefährdung von Grund- und Oberflächenwasser“. Die 500 Mark waren dem stämmigen Mann als zu hoch erschienen: erstens lagerten doch in der Feldmark, ganz in der Nähe seines eigenen Anwesens, andere auch ihren Mist auf dem ungeschützten Boden. Und zweitens habe er doch nichts verseucht. Der 20-Kubikmeterhaufen lag jedenfalls schon zwei Jahre auf dem Hof. „Mit 200 Mark Strafe wäre ich zufrieden“, ließ Herr K. am Ende der halbstündigen Verhandlung wissen und erntete richterlichen Humor: „Mit Pferdemist gibt's doch keinen Kuhhandel.“

Dann wurden Staatsanwalt und Richter wieder ernst: „Das ist eine Umweltsache.“ Der Zeuge vom Wasserwirtschaftsamt bestätigte dem Angeklagten eine Beharrlichkeit, die am Ende zu 400 Mark Bußgeld auflief: Monatelang habe der Mist auf durchlässigem Untergrund gelegen, trotz schriftlicher Verwarnung. „Es stimmt zwar, daß wir Herrn K. veranlaßt haben, seinen Mist vom eigentlichen Betongrund weg umzubetten“, denn es sollte untersucht werden, wohin die Jauche vom Betongrund abläuft. „Aber wir haben Herrn K. doch nicht veranlaßt, den Mist auf durchlässigen Boden zu setzen.“

Dem findigen Polizeibeamten Pfeifer ist es zu verdanken, daß das Thema Bauschuttablagerung in der Grönlandstraße in Burglesum vors Amtsgericht kam. Auf einem unbefestigten Weg an der Bahnschiene ragten plötzlich große, abgeschlagene Betonsteine – rund vier Kubikmeter – in die Luft. Der Polizist erfuhr von einer alten Dame, ein Mann mit Schubkarre habe die hier abgeladen. Der Ermittler machte die einzige private Baustelle in der Umgebung ausfindig, die von Herrn F., erstattete Anzeige. Herr F. bekam einen Bußgeldbescheid über 400 Mark, erhob Einspruch. Nach der gestrigen Verhandlung war klar: Es wird ein größeres Verfahren daraus werden.

Es konnte nicht geklärt werden, ob Herr F. wirklich der Bauschuttäter war, obwohl der Polizeibeamte Pfeifer eine Plastiktüte auf den Richtertisch legte, mit Steinen vom Bahngelände und dem Grundstück von Familie F. Herr F. dagegen beteuerte, daß er selbst nur Erde ausgehoben und Putz von der feuchten Hauswand runtergemacht habe, die dann in seiner Abwesenheit von einer Baufirma neu abisoliert wurde. Den von der Firma produzierten Müll habe er mit dem Hänger zur Deponie gefahren.

Richter und Staatsanwalt blieben einigermaßen ratlos, setzten die Verhandlung aus und suchen jetzt den Kontakt zur beteiligten Baufirma. Eventuell muß dann noch ein Sachverständiger die Identität der eingebrachten Steine prüfen; der Polizeibeamte soll noch mal Streife laufen und versuchen, die alte Dame wiederzufinden.

Einsichtiger als Herr F. gab sich dagegen gestern der Student und Müllsünder Philipp G. aus Worpswede – und drückte damit seine Bußgeldstrafe von 600 auf 200 Mark. Ungewöhnlich hoch ist diese angesetzt worden, das sahen auch Richter und Staatsanwalt ein. Philipp G. hat niedersächsisches Altpapier (zwei gelbe Säcke mit Zeitungen und seinen leicht identifizierbaren alten Schulheften) in Bremen abgestellt, und zwar in einem Autowrack in der Nähe der Waller Mülldeponie. Obwohl der Sünder seine Säcke nach der ersten Zurechtweisung noch abgeholt und ordnungsgemäß entsorgt hat, könne er nicht mit einer normalen Verwarnung davonkommen, so der Richter. Wer mit seinem Müll nach Bremen toure, müsse bestraft werden. ede/sip

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen