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Walesa trickreich umschiffen

Polnischer Regierungschef wird wahrscheinlich der bisherige Parlamentspräsident Jozef Oleksy / Der Präsident muß Ernennung neuer Minister im Kabinett später zustimmen  ■ Aus Warschau Klaus Bachmann

Polen erhält eine neue Regierung. Darüber wurden sich am späten Dienstagabend die Führungen von Bauernpartei und Sozialdemokraten einig. Nach derzeitigem Verhandlungsstand soll nun der bisherige Parlamentspräsident und Sozialdemokrat Jozef Oleksy Premierminister werden. Seinen Posten soll ein Vertreter der Bauernpartei übernehmen. Bei einer normalen Regierungsumbildung müßte Präsident Lech Walesa die Minister ernennen. Da die Koalitionsparteien dies nach den Konflikten der letzten Tage aber vermeiden möchten, versuchen sie es mit einem Trick: Durch ein konstruktives Mißtrauensvotum soll die Mehrheit der Koalitionsabgeordneten zunächst Premier Pawlak das Vertrauen entziehen und dann Oleksy als dessen Nachfolger wählen. Dieser soll dann eine neue Regierung zusammenstellen. Walesa muß dann allerdings die Ernennungsurkunden der neuen Minister unterschreiben.

Das ist nicht der einzige Stolperstein auf dem Weg zu einer neuen Regierung. Bisher hat man sich lediglich über die Besetzung der Postens des Premierministers und des Parlamentspräsidenten geeinigt. Offen ist, wer in der neuen Regierung Minister werden soll. Die Sozialdemokraten fordern, die künftigen Minister müßten sich durch ein „hohes ethisches Niveau“ auszeichnen, was als Seitenhieb auf mehrere Minister der Bauernpartei zu verstehen ist. Die haben sich bisher bemüht, Korruptionsvorwürfe der Presse auszusitzen.

Präsident Walesa, der mit seinen Drohungen, das Parlament aufzulösen, diese Regierungsneubildung erzwungen hatte, hat sich selbst bisher noch nicht zu den Verhandlungsergebnissen geäußert. Sollten die Verhandlungen zwischen den Koalitionspartnern erfolgreich abgeschlossen werden, so müssen bis zur Wahl eines neuen Premierministers noch mindestens sieben Tage vergehen. Nach der Verfassung kann über einen Mißtrauensantrag erst eine Woche nach dessen Vorlage im Parlament abgestimmt werden. Scheitert das konstruktive Mißtrauensvotum, kann Walesa das Parlament dann ohne die geringsten rechtlichen Zweifel auflösen. Verläuft es erfolgreich, kann er immer noch versuchen, einzelne Ministerernennungen zu blockieren. Offen ist bisher auch noch die Besetzung der Posten des Innen-, Außen- und Verteidigungsministers, die laut Verfassung mit dem Präsidenten abgesprochen werden muß. Walesa hat dies immer so interpretiert, daß diese Posten mit Personen seines Vertrauens zu besetzen sind. Wegen Meinungsverschiedenheiten über die Besetzung des Außen- und des Verteidigungsministerpostens sind beide seit Wochen vakant.

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