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„Fernsehstaatsstreich“ im Parlament

In der Bundestagsdebatte über die ARD rückte die Union gestern von einer ARD-„Zerschlagung“ ab / SPD und Grüne warfen Kohl verfassungswidrige Einmischung vor  ■ Vom Fernseher Michael Rediske

Berlin (taz) – Im Bundestag durften gestern die Gäste aus den Ländern die längsten Reden halten. Da Helmut Kohl sich mit seinen Drohungen gegen die ARD in Länderkompetenzen eingemischt hatte, ging für die SPD ein Ministerpräsident zuerst ans Pult, Hans Eichel aus Hessen: Kohls „Erpressungsversuch“, über die Verweigerung einer Gebührenerhöhung unliebsame Sendungen zu verhindern, sei mit den SPD-regierten oder -mitregierten Ländern nicht zu machen – und außerdem verfassungswidrig. Die Union schickte als Antwort den Bayernchef Edmund Stoiber nach vorn, der sein Anti-ARD-Papier verteidigen durfte. Der modifizierte dafür seine Position auf der Linie des CDU-Vorstandsbeschlusses vom Wochenende: Er wolle ja nur eine Reform, nicht die Zerschlagung der ARD, sagte Stoiber jetzt. Die Gebühren seien an einer „Schmerzgrenze“ angekommen. Für den Fall, daß man die gewünschte Effizienz nicht erreiche, kündigte er die Kündigung des Rundfunkstaatsvertrags an. Für die FDP durfte bezeichnenderweise nicht der medienpolitische Sprecher Hans-Joachim Otto sprechen, der kürzlich die Privatisierung des ZDF gefordert hatte. An seiner Stelle hielt sich Wolfgang Gerhardt, für die FDP gerade im hessischen Wahlkampf, merklich zurück: „Wir brauchen die Strukturen“, sagte er und will weiterhin, daß bei den Anstalten mehr gespart wird.

Für die Grünen durfte zunächst der Baden-Württemberger Rezzo Schlauch Kohls „Fernsehstaatsstreich“ geißeln. Er forderte den Bundestags auf, eine „Enquetekommission zur Gestaltung der elektronischen Medienlandschaft“ einzurichten. Fraktionssprecher Joschka Fischer versuchte dann noch, Kohl, der gleich neben dem Rednerpult saß, zu einer Antwort herauszufordern. Dessen Ausbruch gegen die ARD nannte er „verfassungswidrig“ und eine „offene Feinderklärung“. „Kneifen Sie nicht“, rief er ihm entgegen, doch der Kanzler verkniff nur den Mund und schaute weiter in die andere Richtung.

Überraschend ging dann SPD- Chef Rudolf Scharping ans Mikrophon: Die Union wolle doch nur mehr Raum für das kommerzielle Fernsehen schaffen. Doch für eine „Pseudoreform“ gebe es keine Unterstützung seiner Partei. Erst von Freimut Duves Intervention ließ sich Kohl doch noch ans Mikro provozieren: Seine Reise zur Fußball-WM habe nicht Sat.1 bezahlt, es sei „gerichtlich geklärt, daß das gelogen ist“. Hier irrt der Kanzler: Gegen den Spiegelgibt es da nur eine einstweilige Verfügung, das Hauptverfahren könnte noch spannend werden.

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