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„Deine Seele gehört Gott“

■ Handfeste Überlebensstrategien: Tim Robbins in „The Shawshank Redemption“ von Frank Darabont (Panorama)

Tim Robbins ist ein merkwürdiger Mann. Vor gut einem Jahr hat er mit „Bob Roberts“ eine politische Satire gedreht. Der Film über einen erzkonservativen amerikanischen Präsidentschaftskandidaten, der sich „liberal“ geltender Kunstformen wie Country- und Wanderarbeiterlieder bedient, um seine reaktionären Botschaften an den Mann zu bringen, war ein Wunder: komisch und politisch bissig bis zur Bösartigkeit — genau der Film, von dem jeder behauptet, daß er heutzutage nicht mehr möglich sei. In „The Shawshank Redemption“ spielt Robbins sozusagen sich selbst, einen Mann, der Dinge tut, die andere für unmöglich halten.

Obwohl er behauptet unschuldig zu sein, wird ein Bankier (Tim Robbins) in den 50er Jahren wegen Mordes an seiner Ehefrau und deren Liebhaber zu einer lebenslänglichen Gefängnisstrafe verurteilt. Ein Bus karrt ihn und einige andere Häftlinge in das Gefängnis, in dem er fast 30 Jahre verbringen wird. Der Direktor erklärt dem Ankömmling, wo es langgeht: „Deine Seele gehört Gott, aber dein Arsch gehört mir.“ Klingt nach Kinderschreck, doch der Mann ist ausgestattet mit absolutistischer Macht: Er kann Privilegien vergeben und töten lassen. Robbins wird vergewaltigt und zusammengeschlagen. Regisseur Frank Darabont hat diese Szenen mit einem Minimum an roter Farbe inszeniert. Er zeigt die Korruption, die Gewalt und das ganze Elend. Aber es interessiert ihn nur wenig, wie sich das System auf die „Seele“ — das, was man zum Psychiater trägt — niederschlägt.

Darabont scheint ein ziemliches Vertrauen in die Regenerationsfähigkeit des menschlichen Wesens zu haben (Harvey Keitel käme sich garantiert unterfordert vor), wichtig ist ihm nicht wie, sondern daß man überlebt. Sein Film stellt ein paar handfeste Überlebensstrategien vor. Robbins war in seinem früheren Leben Bankier, und nach einer Durststrecke von einigen Jahren wird er für das System unentbehrlich. Gewissenhaft vermehrt er das Vermögen der Wärter und des Direktors, baut eine Gefängnisbibliothek auf und gibt Nachhilfeunterricht in Lesen und Schreiben. Dieser Bankier erinnert ein wenig an die Helden, die Spencer Tracy spielte. Stur und unablässig webt er an dem Faden seines Glaubens, der da sagt: Du erreichst alles, wenn du dich nur beharrlich genug dafür einsetzt.

Wo Tracy allerdings gelegentlich ins Moralische kippte, setzt Robbins eine gehörige Portion Chuzpe ein. Er ist ein Opfer, das man niemals bemitleidet. Der Mann sorgt für sich selbst, und wenn er seine Peiniger schließlich in den Hintern tritt, appelliert er beim erfreuten Zuschauer ausschließlich an dessen bessere Instinkte. Anja Seeliger

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