Press-Schlag
: „Wir Spieler selbst waren das Buffet“

■ Verdienen Australiens Fußballtrainer an unsauberen Europa-Transfers?

Hätte er nicht im letzten Moment Probleme mit einer Arbeitserlaubnis bekommen, Zeljko Kalac (22), Torhüter beim Erstligisten Sydney United, wäre der erste australische Millionen-Transfer geworden. Die Nachricht vom geplatzten Wechsel zu Norwich City allerdings wurde auf dem fünften Kontinent von einem ungleich gewichtigeren Transfer-Korruptionsskandal überschattet.

Vier aktuelle bzw. ehemalige Nationaltrainer sollen finanzielle Vorteile aus ihrer Machtposition gegenüber jungen Spielern mit Wechselgelüsten gezogen haben. Diese Vorwürfe sind jetzt in einer umfangreichen Untersuchung erhärtet worden, die der ehemalige Richter Donald Stewart im Auftrag des australischen Fußballverbandes durchgeführt hat. Stewart ging sogar so weit, die Entlassung von Eddi Thomson, dem Cheftrainer der Nationalmannschaft, zu fordern.

Besonders umstritten ist Thomsons Rolle beim Transfer von Ned Zelic zu Borussia Dortmund. Der Nationallibero wechselte 1992 für knapp 700.000 Mark von Sydney Olympic ins Ruhrgebiet. Zwar kam Thomson, wie er selbst sagt, bei der Transfer-Beratung nur einer Bitte von Zelic nach, was der bestätigt, dennoch kam die Untersuchung zu dem Schluß, daß ein Nationaltrainer eigentlich unter keinen Umständen in Transfer-Verhandlungen verstrickt sein sollte.

Rale Rasic, der einzige Trainer, mit dem sich Australien jemals für eine WM-Endrunde qualifizierte (1974 in Deutschland), soll angeblich dem Vater eines Spielers seines Clubs Parramatta Eagles gesagt haben, daß er Jugendnationalcoach Les Scheinflug umgerechnet 12.000 Mark bezahlen müsse, damit sein Sohn in den Kader der U-17-Nationalmannschaft berufen werde. Die Eltern des Spielers weigern sich, eine Stellungnahme abzugeben, wohl weil sie Repressalien befürchten. Stewarts Report empfiehlt, auch die Entlassung Scheinflugs in Betracht zu ziehen.

Les Scheinflug wanderte 1955 als 17jähriger aus Deutschland ein und wurde zu einer wichtigen Figur in der Entwicklung des australischen Fußballs. Er war in den sechziger Jahren Kapitän der Nationalmannschaft und schoß 1965 beim 1:6 in Nord-Korea das erste Tor Australiens in einem WM-Qualifikationsmatch. Auf seinem Trainerkonto stehen ein vierter Platz bei den Olympischen Spielen in Barcelona und das zweimalige Erreichen des Halbfinales bei den Juniorenweltmeisterschaften.

Es ist durchaus nicht ohne Ironie, daß Scheinflugs einstiger Verein Sydney Prague eine maßgebliche Rolle bei jenem ersten großen Transfer-Skandal spielte, wegen dem Australien zwischen 1960 und 1963 von der FIFA suspendiert war. Damals, während der kurzen Hoch-Zeit des australischen Fußballs, versuchte man europäische Spieler illegal mit Geld anzulocken. Jetzt ist die Lage genau umgekehrt.

All diese Ungereimtheiten haben im australischen Fußball für Aufregung gesorgt und schwer am Ruf seiner renommiertesten Trainer gekratzt. Die besondere Ironie liegt darin, daß es gerade die von den heftigen Vorwürfen betroffenen Trainer waren, die jene Talente hervorgebracht haben, die für den europäischen Markt inzwischen interessant sind.

In diesem Skandal dürfte auf lange Sicht aber nicht das Hauptproblem des Fußballs in Australien liegen, sondern im Fehlen einer funktionierenden Profiliga. Im Moment hat die Liga nur 13 Vereine, da ein Club kurz vor Saisonstart aus finanziellen Gründen zurückzog. Der Durchschnittsbesuch liegt bei knapp 4.000 Zuschauern.

Deshalb ist es eigentlich nur im Ausland möglich, mit Fußballspielen richtiges Geld zu verdienen. Das Bedürfnis der Spieler, nach Europa zu wechseln, trifft dabei auf ihre Unkenntnis des Marktes und die Abhängigkeit von ihren Trainern. Ein Spieler berichtete von einem Barbecue der australischen Nationalmannschaft während eines Trainingslagers in Holland, zu dem Nationaltrainer Thomson Vermittler, wenn nicht eingeladen, so zumindest geduldet hatte: „Wir Spieler selbst waren das Buffet. Die Vermittler betrachteten uns mit den Augen von Köchen.“ Mike Ticher, Sydney