■ Der Fundamentalismus als neues Feindbild auch der Nato
: Die südliche Flanke

Er muß wieder einmal herhalten: Der neue Feind – der nach Europa schwappende islamische Fundamentalismus. Diesmal hat ihn die Nato auf der Suche nach einer neuen Daseinsberechtigung entdeckt. Mit Ägypten, Israel, Tunesien, Marokko und Mauretanien wollen die europäischen Militärs in Zukunft gemeinsam gegen den fundamentalistischen Islam vorgehen. Für den Generalsekretär des Bündnisses hat der Islamismus nun sogar den kommunistischen Feind des Kalten Krieges ersetzt.

Gerade von einer Recherche in der südägyptischen Stadt Mallawi zurückgekehrt, drängt sich mir die ganze Absurdität eines solchen Vorschlages auf. Über hundert Tote und Verletzte erlebten die Dörfer rund um die Kleinstadt Mallawi in den letzten Monaten bei der Auseinandersetzung zwischen Polizei und militanten Islamisten. Die Bewohner leben in Angst zwischen den Fronten, unter Ausnahmezustand und nächtlicher Ausgangssperre. Die Regierung ließ zahlreiche Häuser mit Bulldozern niederreißen, nur weil sie vermutet, daß ein Familienmitglied mit den Islamisten zusammenarbeitet.

Was soll in einer solchen Situation die neue Rolle der Nato sein? Soll sie mit ihren Kampfhubschraubern die umliegenden Zuckerrohrfelder nach Verdächtigen absuchen, oder soll sie der ägyptischen Polizei mit schwerem Räumgerät unter die Arme greifen? Konflikte wie der Kleinkrieg zwischen militanten Islamisten und der Regierung in Ägypten lassen sich wohl schlecht mit dem größten Militärbündnis der Welt lösen. Daß die Nato ein denkbar ungeeignetes Instrument in Bürgerkriegssituationen ist, hat sie ohnehin schon eingängig in Bosnien bewiesen.

Die Nato-Planer lassen sich in ihrem neuen Feindbild ganz auf die Sicherheitslogik der ums Überleben kämpfenden Regime im südlichen Mittelmeer ein. Die militanten Islamisten sind aber mehr als ein Sicherheitsproblem. Sie fallen nicht vom Himmel. Die Mehrheit der Einwohner Mallawis kann weder lesen noch schreiben. Arbeit gibt es keine. Das fruchtbare Land ist knapp. Es sind die völlig Vergessenen, die hier von Gruppen wie den gamaat islamiya für deren Terror rekrutiert werden.

Mein Vorschlag an die Brüsseler Strategen: Wenn die Militärplaner Europas tatsächlich so um die Stabilität im südlichen Mittelmeer besorgt sind – und das sollten sie sein –, dann könnten sie ein paar Dutzend ihrer für sie wertlosen millionenschweren Tornadoflugzeuge verkaufen. Mit dem Erlös ließe sich vielleicht für die Habenichtse in den südägyptischen Dörfern, die Arbeitslosen im Gaza-Streifen oder die herumlungernden algerischen Jugendlichen eine neue Perspektive schaffen. Das wäre der derzeit einzig denkbare konstruktive Nato-Beitrag, um für „Sicherheit an der südlichen Flanke“ zu sorgen. Karim El-Gawhary, Kairo