piwik no script img

Watt aufs Dach

■ Kostendeckende Einspeisevergütung wird zum Flächenbrand / Doch öffentliche Zuschüsse für Solarstromanlagen bewegen sich zwischen Null und fast nichts

Eine ganz besondere Silvesternacht verbrachten vor wenigen Wochen jene Nordrhein-Westfalen, die öffentliche Zuschüsse für Windkraftanlagen beantragen wollten: Etwa 30 Interessenten hatten sich vor dem Landesoberbergamt in Dortmund getroffen, um ihre Anträge direkt nach dem Startschuß des neuen Förderprogramms abzugeben und sich so einen Anteil der knappen Mittel zu sichern.

Wenige Minuten nach Mitternacht dürfte das Programm „Rationelle Energieverwendung und Nutzung unerschöpflicher Energiequellen“, kurz REN genannt, für den Bereich Windkraft ausgebucht gewesen sein – zumindest, wenn alle Antragsteller vollständige und korrekt ausgefüllte Unterlagen abgegeben haben.

Für Solarstromanlagen sieht die Situation nicht viel besser aus: Die Solarhändler sind mit den gesammelten Antragsunterlagen ihrer Kunden ebenfalls in den allerersten Januartagen eingetroffen, um noch etwas von dem dürftigen Kuchen abzubekommen.

Natürlich kann es auch jetzt noch erfolgreich sein, einen Zuschuß von 50 Prozent zu einer Photovoltaikanlage vom Land zu beantragen, denn der genaue Förderumfang wird erst nach Abschluß der nordrhein-westfälischen Haushaltsdebatte feststehen.

Für Photovoltaik wird dieser Betrag vermutlich im Bereich von 2 Millionen Mark liegen. Damit könnten 50 Anlagen mit eine Leistung von 4 Kilowatt (kW) bezuschußt werden. Zum Vergleich: Die Stadt Aachen plant mit einem anderen Modell, der kostendeckenden Einspeisevergütung, eine Vollfinanzierung von mindestens 250 4-Kilowatt-Anlagen.

Landesweite und lokale Förderprogramme diverser Stadtwerke gibt es viele. Motto: Small is beautiful. Doch komplizierte Antragsformulare zeugen von der Phantasie der Stromkonzerne: Wenn man das Formular endlich begriffen und die nötigen Unterlagen beisammen hat, ist die Förderung gerade gestoppt oder ausgebucht. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Doch viel mehr als etwas Kosmetik ist eine Förderung der paar Einzelanlagen in Deutschland im Vergleich zum japanischen New-Sunshine-Programm mit einer dreistelligen Milliardensumme an Fördermitteln in den nächsten Jahren und seinem 70.000-Dächer- Programm sowieso nicht.

Die Vereinigten Saarländischen Elektrizitätswerke haben sich noch einen ganz speziellen Anreiz für die Besitzer von Photovoltaikanlagen ausgedacht: einen kostenlosen zweiten Zähler zum Bezug von extra günstigem Nachtstrom. Vielleicht für Elektro-Nachtspeicherheizungen?

Während die kleinen, wegbereitenden Initiativen emsig für die erneuerbaren Energiequellen arbeiten, hat die Zentrale der Macht nichts zu bieten: „Photovoltaik ist in dem momentanen Förderprogramm für regenerative Energie noch nicht enthalten“, ist aus dem Bundeswirtschaftsministerium zu erfahren. Vielleicht wird mit Abschluß des neuen Bundeshaushaltes Mitte des Jahres die Photovoltaik mit 3 Millionen Mark berücksichtigt werden; das wären etwa 10Prozent der gesamten Fördermittel.

Geplant ist ein Höchstbetrag von 6.000 Mark Zuschuß pro Kilowatt, also etwa 30 Prozent des Anlagenpreises. „Wenn ...“ und „aber...“ und „vielleicht ...“ Denn gesichert sind insgesamt erst mal 2,8 Millionen Mark, die „unter einer riesigen Antragsflut“ aufgeteilt werden müssen. Allerdings soll dieser Zuschuß nur für solche Anlagen gezahlt werden, die keine erhöhte Einspeisevergütung bekommen. Und als hätten es die Aachener Stadtwerke geahnt, haben diese dem Aachener Umweltamt letzte Woche vorgeschlagen, eine erhöhte Vergütung nur dann zu zahlen, wenn alle verfügbaren Zuschußprogramme vom Antragsteller ausgenutzt worden sind.

Das REN-Programm ist keine neue Erfindung dieses Jahres. Im Gegenteil: Ende 1992 ist REN-1 zu trauriger Berühmtheit unter Solarhändlern gelangt. Am 5. November jenes Jahres – ein Aachener Händler spricht sogar vom „schwarzen Donnerstag“ – wurde die Antragannahme ohne Vorankündigung über Nacht gestoppt.

Manche hatten Glück: „Aufgrund gezielter Indiskretion wußten wir einen Tag vorher Bescheid und konnten noch die letzten Stunden nutzen, um möglichst viele Anträge abzugeben.“ Doch nicht alle Händler waren so gut informiert, und einige haben sich hinterher überlegt, ob Solarinstallateur wirklich so ein toller Beruf ist... Zwar sprach die Landesregierung nur von einem „Aussetzen“ des Programms, doch ist es den betroffenen Händlern im Zweifelsfall egal, wo ihr eingeplantes Geld nicht herkommt. Gewünscht wird eine konstante Förderung ohne Abhängigkeit von der Pegelhöhe des Haushalts und von wechselnden politischen Mehrheiten.

Dieser Wunsch ist erfüllbar und zum Beispiel in Freising, Hammelburg und Raisdorf schon Realität geworden. Dort gibt es 2 Mark pro Kilowattstunde eingespeisten Solarstrom – ohne Nachweis von Anlagekosten, Zertifikaten für die Module und vor allem: ohne lange Wartezeit – eine echte Neuerung im Vergleich zu dem 1.000-Dächer-Programm oder dem REN- Programm. Die Kosten werden auf alle Stromkunden gleichmäßig verteilt.

Eine Anfrage des nordrhein- westfälischen Landtagsabgeordneten Andreas Reichel ergab, daß pro Antrag 3.500 Mark Bearbeitungskosten angefallen seien und die Bearbeitung durchschnittlich ein Jahr gedauert habe. Dabei sind 74 Prozent der Anträge auf dem Weg durch die Behörden verhungert. Kleine Dreisatzaufgabe: 3 Beamte bearbeiten 150 Anträge pro Jahr – wie viele Beamte benötigt man für 150.000 Anträge?

„Bei der kostendeckenden Vergütung entstehen keine Verwaltungskosten und kein Zeitverlust“, erklärt hingegen Aachens Oberbürgermeister Jürgen Linden. Aachen hat als erste Stadt per Ratsbeschluß die Stadtwerke angewiesen, pro eingespeiste Kilowattstunde Solarstrom 2 Mark und pro eingespeiste Kilowattstunde Windstrom 25 Pfennig zu zahlen.

Mindestens 12 Städte haben bereits einen Ratsbeschluß nach Aachener Vorbild gefaßt: neben den drei schon genannten auch Wuppertal, Eschweiler, Lüneburg, Elmshorn, Schwäbisch Hall, Gießen, Gütersloh, Marburg und Bonn. In Hamburg, München, Frankfurt und Berlin wird noch heftig diskutiert. Dr. Schulte-Janson von der nordrhein-westfälischen Stromtarifaufsicht: „Das breitet sich zu einem Flächenbrand aus!“ Anne Kreutzmann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen