: Demokratisches Vitamin B
■ Sie wollen einen Film drehen? Sie haben Fragen? Die Mailbox „Casablanca“ hat Antworten (und noch mehr)
Ilsa ist in jedem Fall ihre Ansprechpartnerin im „Amerikanischen Café“. Sie können sie wahlweise im Foyer, im Saal oder in der Spielbank treffen. Nach einem kurzen Austausch mit Ilsa ist es möglich, daß im Foyer Musik erklingt – doch nicht Sams traurig- rauchiges „As Times Go By“, sondern ein paar acidjazzige Takte, komponiert von XY, in der Hoffnung, Aufträge als Filmkomponist zu bekommen.
Die Sache ist die: Wir befinden uns in der Mailbox „Casablanca“, der ersten Mailbox für Filmfreaks, Filmschaffende und Filmwissenschaftler. Der Schauspieler Andreas Schmidt hat die Box initiiert, sein Komagnon Gerold Schwarz ist ein Mailbox-erfahrener Psychologiestudent. Jahrelang bedauerte Schmidt, daß im Theater- und Film-Off-Bereich der nötige Austausch fehlt. Mal mangelt es an zehn Metern Schienen für eine Kamerafahrt, dann muß der Hauptdarsteller innerhalb von 24 Stunden ersetzt werden oder ein Pyroeffekt käme ganz gut, aber niemand weiß, wer die Dinge professionell knallen läßt.
Kontakte, Glück und Beziehungen oder viel Geld waren und sind oft nötig, um solche Projekte nicht scheitern zu lassen. Künftig kann „Casablanca“ als eine Art „demokratisches Vitamin B“ aus der Bredouille helfen. Nützliches bis hin zum Insiderwissen wird per Computer und Modem allen Interessierten zugänglich sein. Die Leitfrage für das Angebot der Box: „Was brauche ich, wenn ich einen Film machen möchte?“ Schmidt und Redakteurin Anya Grünewald sammeln alle erdenklichen Informationen und geben sie ein.
So sind im Foyer des „Amerikanischen Cafés“ alle Infos untergebracht, die für die Vorproduktion eines Filmes notwendig sind. Die Richtlinien aller Filmförderungsanstalten sind abrufbar, ebenso wie die nächsten Abgabetermine für Drehbücher. Im Saal des „Amerikanischen Cafés“ tummeln sich Briefings von AutorInnen, SchauspielerInnen, RegisseurInnen – teilweise sogar mit eingescannten Fotos – oder eben die paar Probetakte Filmmelodien.
Hier findet man auch Produktionsfirmen, kann über das Schwarze Brett Kameras verleihen oder spannende Drehorte suchen. In der Spielbank dreht sich alles um den Verleih und Vertrieb des fertigen Films, auch alle Film- und Video-Festivals sind aufgeführt.
Nach einer sechsmonatigen Probephase als Untermieter einer anderen Mailbox hat „Casablanca“ als eigene Box nun rund neunzig NutzerInnen. Ab hundert werden die fünf BetreiberInnen erstmals Gebühren für die Nutzung erheben, für Privatpersonen 10 bis 15 Mark, für kommerzielle TeilnehmerInnen etwas mehr. Noch geht das Team selbst auf mögliche InteressentInnen zu und gibt in mühsamer Kleinarbeit Daten und Fakten in die Mailbox – entsprechend sporadisch sind sie. Geplant ist jedoch, daß Institutionen und Förderungsanstalten ebenfalls teilnehmen können, daß sie ihre Infos oder auch Antragsformulare selbst einspeisen und auf Veranstaltungen hinweisen.
Dennoch: Auch bis zur notwendigen Professionalisierung hat ein Bummel durch die Mailbox ihren Charme: Viele der Infos auf dem allgemeinen Schwarzen Brett klingen niedlich-privat. So findet man Filmtips und Kinokritiken im Tagebuchstil: „Gestern endlich ,Exotica‘ gesehen. Wunderbar, aber das Kino war kalt und ungemütlich. Viele Grüße, macht's gut.“ Worauf die Betreiberin des Kinos antwortet, daß gerade die Lüftung ausgefallen sei und man deswegen ...
Oder so ähnlich. Irgendwann gerieten auch zwei Teenies in einen private chat mit einem Schauspieler – und standen wenige Stunden später vor seiner Haustür: „Wir wollten mal sehen, wie ein echter Schauspieler aussieht.“ Tja, das kann passieren, wenn man sich im „Amerikanischen Café“ rumtreibt – und nicht nur ans Filmemachen denkt. Fragen Sie Ilsa. Petra Brändle
„Casablanca“, zu erreichen per Computer: 694 94 98; -92 98; -93 98, fernmündlich: 694 15 45.
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