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Doch keine Rubel von der Elbe

■ Die Zellstoffwerke Pirna warten auf 200 Millionen Mark, die der russische Unternehmer zu investieren versprach

Pirna (taz) – Juri Grigorjewitsch Gecht wollte nur das Beste, als er sich an den Zellstoffwerken im sächsischen Pirna beteiligte. Jetzt droht er zu scheitern. Gecht, Geschäftsführer der Moskauer Sokolniki AG, Abgeordneter im russischen Parlament, einer der führenden Köpfe des konservativen Industriellenverbandes, hat die letzte Zahlungsfrist für seinen Eigenanteil am Kauf des Werkes verstreichen lassen. Bei Vertragsunterzeichnung im Juni 1993 hatte er sich verpflichtet, 200 Millionen Mark in das marode Pirnaer Werk zu investieren. Davon sind bisher lediglich 15 Millionen Mark auf das Treuhandkonto überwiesen worden. Unmittelbar nach Ablauf der Zahlungsfrist leitete die Bundesanstalt für Vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BVS) als Treuhand-Nachfolgerin die Auflösung des Vertrages ein.

Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf versucht jetzt die Notbremse zu ziehen. In einem Brief an den russischen Premier Viktor Tschernomyrdin bittet er, Hindernisse für die noch ausstehenden Zahlungen auszuräumen. Eine positive Antwort auf den Biedenkopf-Brief läßt die BVS als letzte Chance gelten.

Gechts Einstieg in Pirna wäre die erste Übernahme eines deutschen Unternehmens durch einen russischen Investor gewesen. Der Manager wollte das für katastrophale Elbverschmutzung berüchtigte und 1991 stillgelegte Werk bis Mitte 1995 zu einem der modernsten Zellstoffwerke Europas aufbauen. Hochwertiger Zellstoff sollte dann in Gechts Moskauer Wertpapierfabrik zu Rubelnoten und Aktien verarbeitet werden.

Bei Vertragsunterzeichnung hatten der Treuhand noch schriftliche Zusagen der russischen Minister für Wirtschaft und Kohle vorgelegen, wonach die Sokolniki AG Kohle aus Sibirien im Wert von 200 Millionen Mark nach Deutschland exportieren und damit die Investitionssumme begleichen darf. Diese Zusage aber erwies sich bald als Makulatur. 100 Millionen Mark wollten der Bund und das Land Sachsen zuschießen, wenn der Kauf perfekt ist. Gecht steckte 15 Millionen in die Modernisierung des Werkes. Die Schuld am stockenden Geldfluß ortet er bei der russischen Zentralbank.

Platzt der Verkauf, soll das Pirnaer Zellstoffwerk mit seinen 130 Beschäftigten in Liquidation geführt werden. Gechts 15 Millionen Mark wären dann in die Elbe gesetzt, und für den Rubel würde das Papier knapp. Detlef Krell

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