: Star Club, Bremer Variante
■ In den nächsten Tagen wollen „Die Romeos“ beweisen, daß es einfach mehr Spaß macht in Clubs zu spielen
Samstag abend in Walle: „Wieso kann man im Keller nicht Flippern? Habt ihr special guests oder so?“ Mit ihrer Vermutung liegt Bettina genau richtig - wo sonst im Kairo gedaddelt wird, ist Backstage. Und wo sonst die „Lindenstraße“ auf der Großbildleinwand läuft, stehen Verstärker, ein Schlagzeug, eine winzige Gesangsanlage.
„Ein paar Leute sind ja schon da,“ verkündet Sänger Chock, bürgerlich Jürgen Fastje, ein Stockwerk tiefer. Nach fünf Alben, einem inzwischen überstandenen Major-Plattenvertrag bei der WEA und zwei Jahren Live-Abstinenz in der Hansestadt haben die Romeos die eigene Meßlatte fast schon bequem niedrig aufgelegt. Trotzdem, die Band ist nervös. Ob das neue Konzept ankommt? Statt einem Mammutauftritt stehen bis nächsten Dienstag fünf winzige Läden auf dem Programm - alle in der Hansestadt.
„Es war irgendwie schon eine Quatsch-Idee,“ meint Chock. „Aber in Clubs spielen ist einfach geil. Wir haben alles erlebt, vor sechs Leuten gespielt und vor 40.000 Es macht einfach mehr Spaß, wenn vierzig Leute Party machen, als wenn tausend anonym rumstehen.“ Auch wenn man selber das Mischpult bedienen und die Verstärker schleppen muß und Drummer Jochen deswegen nur noch die Reiseversion seines Schlagzeuges mitnimmt.
Kurz vor zehn betreten die vier Romeos die von Globen und ein paar Glühbirnen erleuchtete Bühne - in entsetzliche Kitschhemden gehüllt Es ist voll,iIm Schummerlicht sitzen Punker, Teens, Normalos, Hippies schwatzend an den Tischen. Sitzplätze sind nicht mehr zu haben als kurz vor zehn die ersten Neo-Sixities-Töne erklingen. Die Melange aus Beat, Country, prägnanten Melodien und alter Songwriter-Schule ist für den Abend wie geschaffen. Die Romeos sind gut, aber unaufdringlich. Wer will, versinkt im Beat, wippt mit, klatscht sich die Seele aus dem Leib. Zum Tanzen scheint die Hemmschwelle im bestuhlten, aber brüllend heißen, Kairo dann doch zu hoch. Wer aber lieber angeregt schwatzten oder Bier trinken will, dem lassen die Romeos ein Chance, statt konzertüblich alles niederzumähen. Zuschauer Gero etwa findet Musickneipen einfach cool. „Wie heißen die? Romeos? Kenn' ich nicht.“
Den Romeos macht der Hautkontakt sichtbar Spaß, besonders Chock genießt es unter seiner Helge-Schneider-Perücke, endlich mal alle Zwischenrufe zu verstehen und in Entertainer-Manier darauf einzugehen. Und als er bei „Let the Goldfish go“ jenseits aller pseudo-authentischen Unplugged-Attitüden allein zur Sechssaitigen greift, hält das Kairo die Luft an - Athmosphäre, wie sie nur im verschworenen Vierdutzend einer Kneipe funktionieren kann. Nach fast zwei Stunden Musik feiert man nicht nur die Band, sondern auch sich selbst mit rauschendem Applaus .
Natürlich geht es auch um Werbung für eigene Tonträger. „Vom Live-Spielen kann heute keiner mehr Leben, außer vielleicht Westernhagen,“ sagt Gitarrist Michael. „Das sind Werbeveranstaltungen.“ Seit Anfang der Neunziger ist es schwerer geworden, in Deutschland zu Touren. Es fehlen geeignte Konzertorte. Lucy Lectric, Seelig oder eben die Romeos bekommen ein Modernes nicht voll, das Minus ist vorprogrammiert. Andererseits kommen bei einem winzigen Laden keine Kosten rein. Chock: „Das Mittelfeld ist weggebrochen.“
Also heißt es, Kräfte bündeln - besonders, wenn man Musik macht, die auch leise und persönlich funktioniert. „Die Idee ist, sich nicht auf kilometerweiten Touren den Arsch abzuspielen,“ sagt Chock. Statt dessen setzt man auf Dauerpräsenz. „Wenn du nur einmal in einer Stadt spielst, bist du gleich wieder vergessen.“ In Oldenburg wurde das bereits einmal getestet - ein voller Erfolg. „Das war für uns allerdings ja ein Heimspiel,“ bemerkt Chock mit Blick auf die Herkunft der Romeos. Aber auch für Bremen sind die Romeos als Club-Band wie geschaffen. Und auch wenn befreundete Bands den Tingelansatz für verrückt halten: Zur Zeit werden Clubs in Hamburg und Hannover gebucht. „Vieleicht,“ hofft Aushilfs- Bassist Rolf, „läßt sich so ja sogar die Club-Kultur wiederbeleben. Die Leute sollen sich gefälligst wieder amüsieren und Bands pur hören.“
Lars Reppesgard
Die Romeos gastieren Donnerstag 20.00 im Muddy, Vegesack, Freitag 23.00 im Scusi Tedesci (Ex- Wüste-Stätte),Samstag 21.00 im Stubu, Rembertiring, Dienstag 21.00 im Apex
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