: Und das Knie ist auch im Arsch
■ „Nobody's Fool“ von Robert Benton (Wettbewerb)
Es dauert, bis dieses vom Wetter scharf geschliffene Gesicht von Paul Newman zur Rolle paßt, die er in „Nobody's Fool“ spielt. Immer glaubt man, er müsse im nächsten Augenblick noch eine Trumpfkarte aus dem Ärmel schütteln und den Chef der Firma, für die er arbeitet, abzocken — oder zumindest mit dessen Gattin (Melanie Griffith) Hals über Kopf nach Mexiko fliehen. Aber Newman ist nicht mehr wie früher, die Filme auch nicht und auch nicht Amerika. Statt dessen diese und viele andere gescheiterte Existenzen: Sully lebt vergrätzt von der Last des Alters und der Arthritis als Gelegenheitsarbeiter in einer schmucklosen, kleinen Stadt nördlich von New York, die selbst Thornton Wilder zu muffig für seine Lehrstücke gewesen wäre.
Regisseur Robert Benton brauchte eine Handvoll an Kamera-Einstellungen, um alle Häuser und Plätze bereits im Vorspann sorgsam abzufilmen. Die Menschen dort kennen sich schon so lange, daß sie einander aus dem Weg gehen können, ohne allein dazustehen.
Nort Bath ist einer jener ausgebrannten Orte, an denen Kinder immer nur an Thanksgiving ihre Eltern besuchen, um sich dann umso heftiger zu streiten. Ein Nirgendwo der Neuen Welt: die Hinterlassenschaft der Reagan-Jahre, von Clinton dann vergessen.
Dabei hat man sich im Elend ganz gut eingerichtet und spielt Beckett miteinander oder Poker. Sullys besondere Freude besteht darin, auf nächtlichen Touren seinem Boß (Bruce Willis als Pitbull des american way of life) die Schneefräse zu stehlen. Morgens muß er dann meistens einer altenglischen Landlady (Jessica Tandy) das Häuschen reparieren oder noch verwirrtere Greisinnen vor dem Erfrieren retten, wenn der Alzheimer wieder mit ihnen durchgeht. In den dreißiger Jahren wäre so jemand für seine dermaßen schrullige Gemeinde noch nach Washington gegangen, hätte er denn James Stewart geheißen. Heute aber wollen hier nicht einmal mehr gerissene Bauunternehmer in einen Freizeitpark investieren, und auch den aschgrauen Newman schert die Zukunft zunächst einen Dreck. Ihm ist der eigene Schädel schon Häuserwand genug, um sich daran zu stoßen. Und auch das Knie ist im Arsch.
Nun hat der Mensch aber wie so oft im Leben Erinnerungen und Enkelkinder, und Newman wäre nicht Actor aus Hollywoods ganz alter Schule, wenn er nicht binnen einer Stunde das aus dem Ruder gelaufene soziale Netz wieder in den Griff bekommen würde. Schließlich stehen ihm neben Clever- und Smartness auch Pflicht, Verantwortung und all diese Gefühle ins Gesicht geschrieben. Plötzlich trainiert er seine Community wie einst in „Slapshot“ das Loser-Team beim Eishockey. Ehen werden versöhnt und hasenfüßige Enkel zu tapferen kleinen Männern erzogen; der Hausdame geht er nach einem Schlaganfall zur Hand, und um der Freundschaft mit seinem etwas depperten Kumpel Rub willen bricht er dem Dorfpolizisten das Nasenbein. Am Ende gewinnen alle im Lotto, und es ist wunderbarerweise Weihnachten — wie damals in den dreißiger Jahren mit James Stewart an der 14. Straße. Harald Fricke
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen