„Frankreich muß sich tiefgreifend ändern“

■ Balladur eröffnet seinen Wahlkampf

Paris (taz) – Ausgerechnet Edouard Balladur, der konservative und stocksteife Regierungschef der Franzosen, erklärte gestern zur Eröffnung des Wahlkampfes, der ihn im Mai auf den Präsidentensessel hieven soll: „Frankreich muß sich ändern, es muß sich tiefgreifend ändern.“

Wenn er in den Elysée-Palast einziehe, so kündigte er in einer einstündigen Rede vor der Pariser Presse an, werde er im ersten Halbjahr seines Mandats ein Referendum mit dem Ziel der „Erweiterung der Demokratie und der persönlichen Freiheiten“ durchführen. Außerdem werde er die Arbeitslosigkeit bekämpfen, die Steuern senken, Chancengleichheit für alle schaffen, die Amtszeit des Staatspräsidenten auf sieben Jahre beschränken und die europäische Einigung vorantreiben.

Auf seine letzte Niederlage, die erst drei Tage zurückliegt, ging Balladur nur indirekt ein: Er versprach, die Chancengleichheit im Bildungswesen zu vergrößern und nach neuen Ausbildungsmöglichkeiten zu suchen. Am Freitag hatte er nach tagelangen Schüler- und Studentendemonstrationen ein Dekret annullieren müssen, mit dem der Universitätszugang für die Absolventen technischer Hochschulen beschränkt werden sollte. Diese Politik – eine Reform einführen, ohne die Betroffenen zu konsultieren, und sie nach Straßenprotesten zurückziehen – ist in Frankreich unter der Bezeichnung „méthode Balladur“ bekannt, der Regierungschef selbst nennt es „Dialog“.

Seine beiden Hauptkonkurrenten – Jacques Chirac, der zweite wahlkämpfende Neogaullist und langjährige Balladur-Freund, und Lionel Jospin, den sozialistischen Kandidaten – erwähnte Balladur gestern nicht einmal. Demoskopisch betrachtet hat er das auch gar nicht nötig. Alle Umfragen sehen ihn weit vorn. Wenn sich die Stimmung im Lande nicht ändert, muß Balladur nur noch seinen Slogan „An Frankreich glauben“ plakatieren lassen und abwarten. Dorothea Hahn