Sanssouci: Nachschlag
■ Im Ratibor Theater: Die "Bodenkosmetikerinnen"
Stillgestanden! Zum Fahneneid sind sechs Frauen in Kopftuch und Kittelschürze angetreten. Zuerst sprechen sie das Gelöbnis der Ehefrau: „Mein ganzes Dasein möge meiner Familie gehören! Wie ein Esel will ich rackern!“ Dann das Gelöbnis des Ausländers: „Meine Pflicht ist: meine Steuern zu bezahlen! Mich unsichtbar zu machen! Mein ganzes Dasein dem deutschen Staate zu widmen!“ Rührt euch! Abtreten! Die Herrschaft ihrer Väter und Ehemänner und die Feindseligkeit ihrer deutschen Mitbürger geben türkischen Frauen eigentlich wenig zu lachen. Trotzdem verbreiten „Die Bodenkosmetikerinnen“, das einzige Kabarett ausländischer Frauen in Deutschland, eine unwiderstehliche Fröhlichkeit. Die sechs Frauen sind zu selbstbewußt, um sich in der Opferrolle zu gefallen. Aber durch die muntere Wehrhaftigkeit, mit der sie ihr Waffenarsenal etwa gegen Skinheads präsentieren, schimmert doch das Bewußtsein steter Bedrohtheit.
Die Münsteraner Truppe steht in der „Bühnenfrauen“-Reihe des Ratibor Theaters zwischen den One-Woman-Shows von Gabi Decker und Gabi Sutter. Eine deutsche und vier türkische Laienspielerinnen haben sich 1992 unter der Regie der Architektin und Lyrikerin Nursel Köse zusammengefunden, die auch die Texte für ihr Kabarett schreibt. Die Sketche schlagen immer einen Haken. So gewinnt bei der neuen Samstagabend-Show „Ein Herz für Ausländer“ erwartungsgemäß diejenige Kandidatin die deutsche Staatsbürgerschaft, die im Dirndl erschienen ist – aber halt, da wären noch ein paar Formalitäten... Dann dröhnt Heino gegen einen türkischen Schlagersänger an, und ein teutonischer Barbar und ein muselmanischer Pirat gehen mit Wildschweinkeule und Krummsäbel aufeinander los. Putzwütige Nummerngirls führen von Szene zu Szene. Die Rollenfächer sind klar verteilt: Die schöne Filiz Karabulut gibt die Sexbombe, die blonde Frauke Schnell die Naive, Günay Köse den Gigolo und Nursel Köse die Abgebrühte. Ihre sarkastischen Weisheiten könnte eine deutsche Kabarettistin sich kaum erlauben: „Die südländischen Männer gucken immer auf Titten, Bauch und Arsch. Die anderen gucken auch mal ins Gesicht.“ Miriam Hoffmeyer
17.–19.2, 23.–26.2., 20 Uhr, Ratibor, Cuvrystraße 20, Kreuzberg
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