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Erfolglose Verhängnisverhütung

Beißende Selbstkritik aus dem Off: „Living in Oblivion“ von Tom DiCillo (Forum)  ■ Von Simon Heusser

Nie wieder mache ich in einem Low-Budget- Film mit“, seufzt Nicole (Catherine Keener). Sie hat getan, was sie konnte, aber erst hängt das Mikrophon ins Bild, dann vergißt der Kameraassistent, die Schärfe nachzuziehen, beim nächsten Take dringt Straßenlärm ins Studio. Derweil piepst eine Uhr, nach der Regisseur Steve (Steve Buscemi) vergeblich sucht. Dem wird das Ganze zuviel: Er flippt gründlich aus. Die Dreharbeiten als erfolglose Verhängnisverhütung sind das vordergründige Thema von Tom DiCillos neuem Film „Living in Oblivion“. Die Handlung spielt an einem einzigen Tag am Set eines Low-Budget- Films. Genüßlich schildert DiCillo die Angst jedes Regisseurs: die Verhinderung seines Films durch Patzer und Pannen. Dabei wird das Klischee von der New Yorker Off- Film-Szene als ebenso sympathischem wie chaotischem Haufen großzügig bedient. Selbstpersiflage? Schließlich ist DiCillo prominentes Mitglied eben jener New Yorker Off-Film-Szene. Sein Erstling „Johnny Suede“ gilt als Kultfilm, bei Jim Jarmuschs „Stranger Than Paradise“ sorgte er für die Kamera.

Was DiCillo will, wird erst klar, als Hollywood in Gestalt des schmierigen Chad Palomino (verdächtig gut gespielt von James Legros) auftaucht. Dieser ist eben von Kalifornien eingeflogen, um nach all dem Kommerz ein bißchen Kunst zu machen. West meets East, big money meets Off: Die Folgen sind blutig, und die Schlägerei zwischen Nick und Palomino ist nicht nur metaphorisch köstliches Hollywood-bashing. Palominos Abreibung sieht man deshalb so gern, weil er eigentlich der Sieger ist: Auch der Off-Film braucht Palominos großen Namen – und Geld.

Bis zur Eskalation haben ihm alle den roten Teppich ausgerollt, jede seiner Sottisen als originell gewürdigt. DiCillo webt nicht am Mythenteppich, sondern übt beißende Kritik an seinem eigenen Milieu. Die Abgrenzung zum finanzstarken Mainstream-Kino funktioniert nur noch mangel- und krampfhaft. Die Folge ist Anbiederung, die Rebellion erschöpft sich in Posen. „Johnny Suede“ schwelgte noch in Träumen von der eigenen Großartigkeit. Aber während dort die Geschichte einer allmählich bröckelnden Selbststilisierung erzählt wurde, ist in „Living in Oblivion“ dieser Prozeß längst abgeschlossen. Zwar haben die Protagonisten noch Träume, aber sie sind zu festen Versatzstücken ihrer Identität geworden. Was in „Johnny Suede“ noch schmerzt, ist in DiCillos neuem Film durch eine sensible Balance zwischen Humor und Melancholie ins Spielerische gewendet. Selbst die scheinbar Erfolgreichen wie Regisseur Nick gehören letztlich in die Reihe der das Set bevölkernden Sehnsüchtigen und biografisch Verhinderten (früher: Verlierer und Versager). Ironischerweise träumt er den konventionellsten aller Hollywood-Träume. Genüßlich malt er sich seine Rede für die Oscar-Verleihung in der Kategorie „Best film ever made by a human being“ aus. Kein Dank kommt ihm da allerdings über die Lippen, sondern ein „fuck you“.

Ein eher krampfhafter Versuch, sich gegen Hollywood abzugrenzen und damit die eigene Bedeutsamkeit unter Beweis zu stellen. Nick weiß das. Johnny Suede ist erwachsen.

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