: Court-TV
Fernsehen auf der Anklagebank, „Quiz Show“ im Kino: Robert Redford inszeniert einen faulen Zauber mit schönen Bildern (Wettbewerb) ■ Von Klaudia Brunst
Das Erstaunlichste an „Quiz Show“ ist, daß er erst jetzt ins Kino kommt. Denn die Geschichte, die Robert Redford uns da zu erzählen hat, ist immerhin seit fast vierzig Jahren bekannt. Frühe Fernsehgeschichte. Mithin Geschichte.
In den fünfziger Jahren, zu einer Zeit also, da das Fernsehen selbst für US-Amerikaner noch ein faszinierendes Ding voller Heilsversprechen war, boomte ein Genre, das die Botschaft des neuen Mediums erstaunlich konsequent zur Schau stellte: das Unterhaltungsquiz. Nach einem simplen Reglement, das hierzulande von „Alles oder nichts!“ gecovert wurde, mußten die Kandidaten von „The 64.000 Dollar Question“ oder „Twenty-One“ Wissensfragen beantworten. Jeder konnte sich an den Quizshows beteiligen. Und auch die 50 Millionen Zuschauer hatten ihren Gewinn am Fernseh- Spiel, waren sie doch live dabei, wenn sich das Leben eines Kandidaten mit dem Gewinn der exorbitant hohen Preisgelder plötzlich von grundauf veränderte. Das Fernsehen: der Glücksbringer. Der Champion: ein Tellerwäschermillionär.
Eines Tages allerdings stimmte die televisionäre Gleichung nicht mehr. Der ehemalige „Twenty- One“-Champion Herbert Stempel trat mit einer unglaublichen Geschichte an die Öffentlichkeit: Die Sieger der NBC-Quizshow, die da vermeintlich schwitzend und stammelnd in ihren schalldichten Kabinen um den Sieg rangen, standen schon vor Beginn der Sendung fest. Um die Einschaltquoten auf hohem Niveau zu halten, sollten beliebte Kandidaten so lange reüssieren, bis die Ratings anzeigten, daß das Publikum seiner überdrüssig geworden war. Dafür verrieten die Produzenten ihren Champs die Antworten zu jenen Fragen, die laut Showdramaturgie erst kurz vor der Sendung aus einem Banktresor in Studio geholt wurden. Als Stempels Ratings sanken, war sein Spiel aus. Verabredungsgemäß mußte er die Stafette an den jungen Literaturprofessor Charles van Doren abgeben. Jung, gebildet, charmant spielte der sich fortan – im wahrsten Sinne des Wortes – in die Herzen der Amerikaner. Denn auch van Doren war in das falsche Spiel eingeweiht, sein telegenes Zögern hatte man ihm zuvor mühsam antrainiert. Der ganze Zauber – ein fauler.
Robert Redford erzählt diesen nationalen Skandal, von dem sich das Gameshow-Genre nie so recht erholen konnte, als spannendes Gerichtsdrama: Angeklagt wird die US-amerikanische Gesellschaft, die den ewig brabbelnden, aber liebenswerten jüdischen Einwanderersohn aus der Vorstadt (John Turturro) gegen den smarten, aber geltungssüchtigen Professorensohn (Ralph Finnies) aus der feinen Upper-Class ausspielt. Mittendrin die Verführungsmaschinerie Fernsehen, der weder der eine noch der andere widerstehen kann. Nur der junge, ehrgeizige Anwalt Dick Goodwin (Rob Morrow) weiß noch im gleißenden Scheinwerferlicht, wo man Gut und Böse scheiden muß. Ihm allein gebührt die Ehre, den Quizskandal aufgedeckt zu haben. Der Filmplot von „Quiz Show“ beruft sich auf die Memoiren des echten Richard N. Goodwin. Allerdings verschweigt der in seinen Einnerungen, die pünktlich zum Filmstart bei Rowohlt erschienen sind, daß die Lawine des Quizshow-Skandals eigentlich schon durch die Aussagen des Reservekandidaten einer unbedeutenden Spielshow namens „Dotto“ losgetreten wurde. Erst als die „Dotto“-Manipulationen in den US-Blättern zu lesen waren, entsann sich ein Zeitungsredakteur der unglaublichen Geschichte von Herbie Stempel...
Redford spielt in „Quiz Show“ ein anderes, dramaturgisch einleuchtenderes Spiel. Ein spannendes zugegebenermaßen, das sich gegen die Scheinwelt des Fernsehens mit allen filmischen Mitteln zur Wehr setzt und dem rassistischen TV-Proporz, demzufolge ein jüdischer Champion stets von einem nichtjüdischen überrundet werden mußte, plakativ den Kampf ansagt. Ein Spiel, das zudem historisch so detailgenau und von allen Beteiligten derart überzeugend inszeniert ist, daß es „Twenty-One“ selbst kaum je hätte besser machen können.
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