: Die WDR-Diät
■ Beim "roten" WDR herrscht längst die Große Koalition, die von der Union geforderte Schlankheitskur ist in vollem Gange
Bei der ARD-Debatte im Bundestag nahm Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber letze Woche angriffslustig den Kölner WDR ins Visier und zitierte genüßlich aus einem Positionspapier des dortigen Rundfunkrats. Der hatte nämlich selber im vergangenen Oktober „eine umfassende Strukturreform der ARD für unerläßlich“ gehalten. Sollte sich die ARD als reformunfähig erweisen, sei selbst der „Austritt aus der ARD“ als Handlungsoption zu prüfen. Den Spott im Parlament hätte die SPD, die in dem Kölner Aufsichtsgremium das Sagen hat, vorausahnen können: CDU-Generalsekretär Peter Hintze hatte nämlich schon Tage zuvor süffisant versichert, man befinde sich in voller Übereinstimmung mit dem WDR-Rundfunkrat.
Das stimmt allerdings höchstens zur Hälfte. In dessen Papier war der Austritt aus der ARD nämlich nur für den Fall enthalten, daß („wider Erwarten“) alle Reformen scheitern. Die aber zielten auf eine Stärkung der ARD und mehr Kooperation mit dem ZDF. Ganz anders Stoiber und Biedenkopf in ihrem Positionspapier. Sie kamen vielmehr zu dem Schluß, nur der Verzicht auf das ARD-Gemeinschaftsprogramm sei als „Reform“ brauchbar. Bei den Bonner Debattenbeiträgen der Union war auch nirgendwo davon die Rede, daß die ARD schon 1993 in einem Kraftakt bei den eigenen Kosten angesetzt hat und bis 1996 ein drei Milliarden schweres Sparpaket realisiert.
Dazu zählen in allen elf Anstalten Planstellenstopps, der Abbau von insgesamt 810 Arbeitsplätzen und die Neuverhandlung der tariflichen Altersversorgung. ARD- weit werden derzeit sogenannte gemeinschaftliche Aufgaben durchforstet, Überschneidungen zwischen den verschiedenen Anstalten reduziert und Dienstleistungen zentralisiert oder ausgelagert. Hinzu kommt allerorten die Automatisierung in der Technik – virtuelle Studios, elektronische Schnittplätze und die Einrichtung vernetzter CAD-Arbeitsplätze. Mit dem Paket glaubt man bei der ARD, den Anstieg der Programmkosten ab 1994 auf jährlich 3,9 Prozent begrenzen zu können.
Gerade der WDR als größte Anstalt bemüht sich um ein Image als „schlanker Sender“, der bei sich die ARD-Sparbeschlüsse mit insgesamt 338 Millionen Mark in drei Jahren umsetzen will. Für 1995 hat man einen ausgeglichenen 1,9-Milliarden-Etat verabschiedet – auch mit den Stimmen der CDU-Mitglieder des Rundfunkrates. Derzeit entwickeln 13 interne Prozeßteams, angeleitet vom Unternehmensberater Roland Berger, entscheidungsreife Vorschläge für veränderte Produktionsabläufe – von der Idee einer Fersehsendung bis zur Ausstrahlung.
Der WDR ist – wie sonst nur noch der Ostdeutsche Rundfunk Brandenburg – per Gesetz befugt, mit Privatfirmen zu kooperieren und eigene Gesellschaften zu gründen. So konnte er kürzlich eine Entwicklungsgesellschaft für künftige multimediale Angebote gründen. Und TV-Moderatorin Bettina Böttinger durfte für ihre Show „B. trifft“ als erste eine eigene Produktionsgesellschaft gründen – mit Rückkehrrecht als Festangestellte.
Die Anstalt legt sich offenbar jene wettbewerbsorientierte Unternehmensphilosophie zu, die schon 19 sozialdemokratische Mitglieder des WDR-Rundfunkrats im August 1993 in einer „kritischen Standortbestimmung“ eingefordert hatten, angeführt von Medienpolitikern wie Reinhard Grätz als Rundfunkratsvorsitzendem, seinem Stellvertreter Reiner Hesels und Jürgen Büssow, dem Vorsitzenden des Entwicklungsausschusses. Sie hatten der ARD etwa die Budgetierung aller Redaktionen, dezentrale Mittelbewirtschaftung, Ausgliederung wirtschaftlich selbständiger Einheiten und wirtschaftliche Verwertung von Archiv und Fundus empfohlen – und dazu bundesweite Profit- Center, in denen die ARD ihre Ressourcen in Bereichen wie Fernsehspiel oder Dokumentation bündeln könnte.
In Köln jedenfalls werden diese Vorgaben längst umgesetzt. So bietet nun eine gemeinsame Tochterfirma von WDR und Bavaria den Fundus für alle an. Und auf ihrem Betriebsgelände in Köln- Bocklemünd hat die Anstalt für acht Millionen Mark eine Halle gebaut, in der die deutsch-australische Ufa-Grundy mit Produktionshilfen des Senders „Verbotene Liebe“ macht, um sie dann wieder dem WDR zu verkaufen. WDR- Sprecher Jürgen Bremer: „So verwerten wir als Dienstleister unser Know-how.“
Intendant Friedrich Nowottny hatte die Vorschläge der 19 seinerzeit zunächst als „private Äußerungen“ abgetan. Daß ihre Essentials ein Jahr später vom Rundfunkrat einstimmig übernommen wurden, zeigt, daß zumindest in diesem Gremium Christdemokraten und SPD nicht so weit auseinanderliegen. „Die Union hat mit ihrer Diskussion objektiv recht“, meint denn auch Rundfunkratsmitglied Hesels, der sich beim ARD-Theater im Bundestag „nur begrenzt“ vertreten fühlte. Es sei halt schwer, bei all der Aufregung um Kohl & Kirch & Berlusconi mit Sachargumenten einzusteigen. Peter Hanemann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen