: „Wir sitzen seit fast vier Jahren in der Falle“
■ Atif Dudaković, Kommandeur des 5. Korps der bosnischen Armee, über den Krieg in Bihać
taz: Die Lage um Bihać hat sich wieder zugespitzt. Sie verteidigen die Region um Bihać nun schon seit fast vier Jahren. Wie lange können Sie das eigentlich noch tun?
Atif Dudaković: Aus Ihrer Sicht erscheinen solche Fragen als normal. Doch uns bleibt keine andere Wahl, als weiterzukämpfen. Wir dürfen nicht aufgeben, weil sonst vielen Menschen der Tod drohen würde. Wir müssen uns verteidigen, weil wir keine andere Möglichkeit mehr haben. Und wir können dies auch, weil wir noch in der Lage sind, eigene Waffen herzustellen. Bihać wird nicht in die Hände der Serben fallen.
Im Oktober haben Sie einen Gegenangriff befohlen, der die ganze Welt überraschte, Ihre Kräfte aber offensichtlich überstiegen hat. Glaubten Sie damals wirklich, Bihać befreien zu können?
Die serbischen Streitkräfte beachteten den Status Bihaćs als UNO-Schutzone nicht, die UNO und ihre Blauhelme blieben untätig. Unsere Lage wurde also noch zusätzlich erschwert durch das Verhalten der internationalen Organisationen. So blieb nur die militärische Lösung. Uns gelang es damals in nur zwei Tagen einen Teil unserer Heimat zu befreien. Der größte Erfolg dieser Operation war, daß wir in die serbische Kaserne Grabes eindringen konnten, aus der täglich der Tod auf die Straßen von Bihać gesät worden war. Aber dann kam es zu einer Umkehr der Lage, nachdem die kroatischen Serben der Krajina und die bosnischen Serben ihre militärischen Potentiale aktivierten.
Sind sie mit der Offensive denn nicht in eine Falle gelaufen? Das hätte man sich doch ausrechnen können, daß die Serben reagieren.
Erst während unserer Offenive Ende Oktober haben der Befehlshaber der Krajinaserben, Martić, und der Führer der bosnischen Serben, Karadžić, ein Abkommen über bedingungslose Hilfe geschlossen. Dieses Abkommen wurde dann sogleich verwirklicht. Interessant dabei ist, daß Martić dazu gezwungen werden mußte, weil zu jener Zeit sein 2. Krajina- Korps zerfallen war. Er mußte sich aber dem Druck Karadžićs beugen, sonst wäre kein Lkw mit Hilfsgütern in das Gebiet der Krajina mehr gelangt. Was die Frage nach der Falle angehet, so ist zu bemerken, daß wir nun schon im vierten Jahr in der Falle sitzen und uns eben, so gut es geht, verteidigen.
Hat die Republik Kroatien Bihać Hilfe angeboten, oder hilft sie bereits?
Die kroatische Regierung hat uns in den schwersten Momenten auf diplomatischer, politischer und informativer Ebene unterstützt. Kroatien hat viele unserer Bürger aufgenommen und ihnen den Flüchtlingsstatus gewährt. Hierin zeigt sich, daß das kroatische und bosnische Volk befreundet sind und sich gegenseitig helfen können. Was die konkrete Hilfe angeht, so möchte ich darüber nicht sprechen.
Interview: Dirk Planert
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