: Kulturprogramm wird abgeschaltet
■ „Radio Bremen 3 Klassik“ soll verschwinden - für Schlager / Bernbacher: Drei Dudelwellen
Die MitarbeiterInnen des 3. Programms von Radio Bremen waren am Dienstag nicht wenig überrascht: Hörfunkdirektor Hermann Vinke präsentierte ihnen auf der internen Dienstbesprechung seine neuesten Pläne des Senders: Seit dem 1.9.1992 sendet Radio Bremen im 3. Programm ein Klassik-Programm, dies war damals eine Idee des Hörfunk-Chefs Vinke selbst, und schon im Sommer oder spätestens im Herbst soll es wieder abgeschafft werden. Das 3. Programm soll wieder die älteren Menschen ansprechen - mit deutschen Schlagern. Vinke auf Anfrage der taz: „Ich werde mich öffentlich zu diesem Projekt nicht äußern.“
Intendant Klostermeier war da in einem WK-Interview gestern offener: „Das Problem ist, daß wir einen großen Teil der älteren Zuhörer verloren haben.“ Das war das Ergebnis der Medienanalyse im Sommer 1994. Und da der neue Programmleiter und Wellenchef (Radio-interner Jargon: „WC“) Christian Berg die deutschen Schlager aus dem Hansawellen-Programm rausgeschmissen hat, dürfte dieser Hörerverlust in den oberen Altersgruppen noch weitergehen, wenn die mittleren Jahrgänge gebunden werden sollen. Mit einer Schlagerwelle auf der Frequenz des 3. Programms, so offenkundig das Konzept, sollen nun die älteren HörerInnen davon abgehalten werden, zum NDR überzulaufen.
Für die acht hauptamtlichen MacherInnen der Klassik-Welle und die zwei Tontechniker stellt sich damit die Frage, ob sie überhaupt noch gebraucht werden in Zukunft. Da aber niemand entlassen wird bei Radio Bremen, schreit das Problem nach einer Lösung. „Lösungsmöglichkeiten“ habe Vinke in vielfältiger Weise sich vorstellen können, wird aus der Dienstbesprechung erzählt: Sei es, daß die Bremer Fachkräfte für den NDR Klassik-Sendungen produzieren, sei es, daß sie abends im 3. senden. Oder vielleicht wieder im 2. Programm?
Deshalb wurden die neuen Pläne auch der Redaktion des 2. Programms vorgestellt. Die ist alles andere als begeistert, will sich aber nicht öffentlich äußernl. Auch im 3. Programm traut man sich nicht, öffentlich Stellung zu nehmen. Hinter vorgehaltener Hand wird argumentiert, der eigentliche öffentlich-rechtliche Anspruch und damit die Rundfunk-Gebühren rechtfertigten sich nur durch Kulturprogramme.
Programm-Chef des 3., Klaus Bernbacher, zur Abschaffung „seiner“ Klassik-Welle: „Bei Radio Bremen beginnen anscheinend einige Leute die Nerven zu verlieren. Sie wollen die vier Sparten-Programme der Hörfunk-Strukturreform von 1992 im Hau-Ruck-Verfahren wieder umschmeißen. Der Grund liegt in der umstrittenen Gestaltung der traditionellen Hansawelle, welche die große Zahl der älteren Hörerinnen und Hörer in ihrem Musik-Geschmack bewußt vernachlässigt hat. Da man nicht willens und in der Lage ist, diese Konzeption der Leitwelle zu korrigieren, und mit weiteren erheblichen Akzeptanz-Einbußen rechnet, sollen die beiden öffentlich-rechtlichen Programme (RB 2 und RB 3 Klassik) die Zeche bezahlen und wieder zusammengelegt werden, damit auf der Frequenz von RB 3 eine Schlagerwelle entstehen kann. Radio Bremen hat dann drei Dudelwellen. Dieses bedeutet rundfunk- und kulturpolitisch einen Offenbarungseid.“ K.W.
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