Weniger Lohn, weniger ABM-Stellen

■ 1995 werden in Berlin 3.000 ABM-Stellen weniger bewilligt als im vorigen Jahr / Senat fühlt sich für Aufstockung der gekürzten ABM-Löhne nicht zuständig / Eigenfinanzierung durch Projekte nicht ratsam

In diesem Jahr werden in Berlin etwa 3.000 ABM-Stellen weniger bewilligt als 1994. Dies erklärte gestern der Staatssekretär der Senatsverwaltung für Arbeit und Frauen, Peter Haupt, auf einer Veranstaltung im Abgeordnetenhaus, zu der zwei Zusammenschlüsse Berliner ABM-Projekte geladen hatten. Die Situation auf dem zweiten Arbeitsmarkt hat sich dadurch weiter verschlechtert. Seit längerem steht fest, daß ab 1. Januar 1995 ABM-Stellen nicht mehr nach Tarif bezahlt werden. Die Arbeit in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ist, so sieht es das neue Beschäftigungsförderungsgesetz vor, nur noch 90 Prozent der Tariflöhne wert.

Wer davon ausging, daß auf diese Weise mehr Stellen eingerichtet werden sollen, muß sich jetzt eines Besseren belehren lassen. Dr. Rosenkranz erklärte gestern als Vertreter des Landesarbeitsamtes, daß eigentlich sogar 9.000 Stellen eingespart werden müßten. Man könne jedoch bereits in diesem Jahr auf Gelder zurückgreifen, die für 1996 vorgesehen waren. Seinem Rechenbeispiel, daß 1995 eine ABM-Stelle – trotz Lohnkürzung – teurer werde als im Vorjahr, mochten nicht alle TeilnehmerInnen folgen.

Auf der Veranstaltung sollte eigentlich eine andere Frage diskutiert werden: Gibt es eine Möglichkeit, das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ zu retten? Daß dies rhetorisch gemeint war, wußten sowohl die VertreterInnen von Gewerkschaften, Senatsverwaltung, Abgeordnetenhausfraktionen und Arbeitsämtern auf dem Podium als auch die MitarbeiterInnen von zwanzig betroffenen Projekten im Publikum. Die Kürzungen sind gesetzlich beschlossen worden und wären allenfalls durch pragmatische Lösungen aufzufangen.

Die Senatsverwaltung solle die zum Tariflohn fehlenden zehn Prozent aus eigener Tasche bezahlen, hatten Projekte und die bündnisgrüne Fraktion gefordert. Etwa 70 Millionen Mark würde die Aufstockung kosten, erklärte die Sprecherin der Senatsverwaltung für Arbeit und Frauen, Bettina Martin. Der Vorschlag wurde im Senat abgelehnt.

Und wenn das eine oder andere Projekt die Differenz zum Tariflohn aus Eigenmitteln bezahlen könnte? Damit würden sich die Träger ins eigene Fleisch schneiden. Jede Mark, die aus eigener Tasche bezahlt werden kann, wird prompt von den Fördergeldern abgezogen, erklärte ein Vertreter des Arbeitsamtes.

„Was sollen denn die armen Projekte machen?“ rief einer aus dem Publikum verzweifelt. Die Antwort war Schweigen. Lösungen hatte niemand anzubieten. Doris Maassen