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Menschen werden erschossen

■ Kokette Hoffnungslosigkeit: „Labyrinthe“ von Mikaäl Dovlatian (Panorama)

Ich habe, offen gestanden, nicht die geringste Ahnung, wovon dieser Film handelt. Langsam ist er, sehr langsam und ohne Handlung. Zu Beginn sitzt eine Frau auf einem Stuhl und erzählt, daß sie einen Sohn hatte, der bald nach der Geburt gestorben sei. Danach wollte sie eigentlich keine Kinder mehr, hat dann aber doch eine Möglichkeit gefunden, ein zweites Kind anzunehmen, ohne das erste zu verraten. Sie dreht sich auf ihrem Stuhl um, zieht ihren Pullover hoch und streckt dem Publikum einen falschen Pappbauch entgegen, wie einen Cul de Paris.

Später sieht man sie, ihren Mann Andreas und den toten Sohn, wie sie dessen einjährigen Geburtstag feiern. Mit Kuchen und einer Kerze, wie es sich gehört. Den Mann gibt es zweimal. Während er neben seiner Frau im Bett liegt, ist er gleichzeitig bei seinem Freund Abel, mit dem er düstere Gespräche führt. Abel ist schon ein alter Mann und von heiterer Lebensart. Er feiert und trinkt gern, liebt die Frauen und kümmert sich in seiner Freizeit um einen Maler, der im Krieg beide Beine verloren hat und jetzt in einem Keller haust, den er nicht verlassen kann. Dann ist da noch ein Mann, der aus irgendwelchen dunklen Gründen Geld dafür bekommt, daß er einen Heiligen spielt. Später wird er während einer Predigt ermordet ...

Er hat mir nicht gefallen, dieser Film, aber jetzt überrascht es mich doch, wie mir beim Schreiben all diese Bilder wieder einfallen. Trotzdem stimmt etwas nicht daran. Die Bilder sehen so neu aus, die Farben so glatt. Und dann all diese düsteren Keller und schmutzigen Zugwaggons, die mit Lehm gefüllt sind. Menschen werden erschossen, und man weiß nicht, warum. Auch Abel wird getötet. Neben seiner Leiche liebt Andreas eine Unbekannte. Ich kann es nicht ausstehen, wenn neben Leichen gevögelt wird. Es ist ein abstoßender Triumph des Lebens oder eigentlich des Todes, denn dieser Akt wird nie ernstgenommen. Er dient nur dazu, die Vergeblichkeit des Auflehnens gegen den Tod zu demonstrieren.

Unentwegt ausgesprochene Hoffnungslosigkeiten erscheinen mir immer ein wenig kokett. „Ich hasse die Lüge, daß Hoffnung existiert“, sagt Andreas und sprengt Haus und Hof in die Luft. Ich hasse das Sich-Schmücken mit der Apokalypse. Anja Seeliger

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