: Nicht nur für Rentner
■ Der Böhmerwald – preisgünstiges Wintersportgebiet
Frau Pfoser hat ihr Spinnrad hervorgekramt und zeigt ihren Gästen, wie die Frauen früher zur Winterszeit Flachs verspannen. Ein bißchen inszeniert wirkt die agile Bäuerin schon, wenn sie so mit ihrem lädierten Spinnrad in der Bauernstube sitzt. Aber wahrscheinlich meinten die vom Tourismusbüro, daß die Leute, die Urlauber, so etwas gerne sehen. Die Pfosers, mit Haupterwerbszweig Viehzucht, bieten schon seit Jahren Urlaub auf dem Bauernhof an in Ulrichsberg im Mühlviertel, dem österreichischen Teil des Böhmerwalds. Der touristische Kommerz hat diese ländliche Idylle – hügelige Landschaft, dunkler Tannenwald und kleine Dörfer – nur am Rande gestreift. Aber am Wochenende ist auch hier Stau auf der Abfahrtspiste am nahe gelegenen Hochficht. Dann kommen die Leute aus den umliegenden Städten wie Passau und Linz zum Wochenendskifahren in die relativ schneesichere nördlichste Region Österreichs.
Schon vor hundert Jahren begann der Skilauf am Hochficht. Damals allerdings von der entwickelteren böhmischen Seite aus. Ab 1930 standen bereits 130 Gästebetten im Josefstal zur Verfügung. Nach dem Krieg verfiel die grenznahe Gegend in einen Dornröschenschlaf. In den sechziger Jahren wurde die Abfahrtspiste dann wiederentdeckt. Und heute gibt es Pläne, auch die böhmische Seite des Hochfichts dem Skigebiet einzuverleiben. Da diese zum großen Teil Naturschutzgebiet ist, stoßen die ehrgeizigen Pläne der Touristiker jedoch auf Widerstand.
Heute sollten Langzeiturlauber an den Stauwochenenden den Hochficht besser meiden und auf die weitgestreuten Loipen zum Langlauf ausweichen. Durch verschneiten Wald führt eine 8 Kilometer lange Loipe vom Langlaufzentrum Ulrichsberg/Schöneben zum Moldaublick. Ein 24 Meter hoher Aussichtsturm gibt den Blick frei gen Osten, nach Tschechien und auf den Moldaustausee. Der Turm ist ein Relikt des Kalten Krieges. Von dort warfen die Vertriebenen aus dem tschechischen Teil des Böhmerwaldes nostalgische Blicke in die alte Heimat. Sie waren bislang die Hauptklientel der Pfosers. Doch nun können sie ohne große Berührungsängste direkt in die alte Heimat fahren. Den Pfosers bleiben die eingestandenen Gäste aus. „Viele sind schon gestorben, die, die noch leben, kommen jetzt nicht mehr“, erzählt Frau Pfoser. Und da man nach dem EG-Beitritt Österreichs nicht mehr allzu viel Hoffnung auf die Zukunft der Landwirtschaft setzt, bleibt der Fremdenverkehr eine der wenigen ausbaufähigen wirtschaftlichen Möglichkeiten.
Strukturschwach war diese Region schon immer. Die meisten Männer verdingten sich als Waldarbeiter. Hauptarbeitgeber war das Kloster Schlägl. Noch heute gehört dem Kloster der meiste Grundbesitz. Die Skistation am Hochficht ist ganz in geistlicher Hand. Und im bahnhofshallenartigen, lärmenden Skirestaurant fließt selbstverständlich ausschließlich Klosterbier.
Wer in Ulrichsberg und Umgebung sein Auskommen nicht in der Landwirtschaft, der Verwaltung oder im Handwerk findet, pendelt zur Arbeit hauptsächlich ins rund 60 Kilometer entfernte Linz und baut an sein Einfamilienhaus oder den Bauernhof möglichst ein paar Gästezimmer an. Langlaufen, wandern, die Ruhe genießen und ausspannen wollen schließlich nicht nur Rentner. Im Böhmerwald setzt man besonders auf das Marktsegment Familie mit Kind. Denn die ökologisch geliftete, naturnahe Familienidylle ist auf den Bauernhof gekommen. Und mit dem Pony zum Reiten, dem Spielplatz hinterm Haus, den Kühen im Stall und ihrer unverstellten Freundlichkeit haben die Pfosers alles, was man an touristischer Infrastruktur braucht zum wirklich familienfreundlichen Preis.
Und wenn Frau Pfoser wieder mal das lädierte Spinnrad auspackt, dann ist klar, daß sie es nur noch für eine bessere, touristische Zukunft dreht. Edith Kresta
Auskunft: Reisebüro der Tourismusregion Mühlviertel, Blütenstraße 8, 4040 Linz, Österreich, Tel.: 0043-732-235020
Tourismusverband Ulrichsberg, Markt 28, 4161 Ulrichsberg,
Tel.: 0043-7288-6300,
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