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Drama in der Rama-Familie

■ Alles wird gut! Wer's nicht glaubt, sehe sich doch bitte schön „Silent Fall“ von Bruce Beresford im Wettbewerb an

Die Berlinale nähert sich ihrem Ende. Ich spüre es daran, daß ich ständig weinen muß — chronische Bindehautentzündung. So blieb leider keine Träne für „Silent Fall“ übrig, obwohl der Film stark zum Weinen animierte. Habe ich je erwähnt, daß ich hochgradig didaktische Kriminalfilme mit hundertfünfzigprozentigem Happyend nicht gerade liebe, obwohl ich Happyends über alles liebe? Ich habe nun mal nichts übrig für Didaktik im Kino.

Was hat sich Bruce Beresford, den ich seit „Miss Daisy und ihr Chauffeur“ durchaus schätze, bloß gedacht, als er sich an diesen Film machte? Und wann hat Richard Dreyfuss eigentlich zuletzt in einem „guten Film mitgewirkt?

In einem Haus wird ein reiches Ehepaar aufgefunden, und zwar leider tot sowie äußerst unappetitlich filetiert. Die siebzehnjährige Tochter sitzt mit Schock im Kleiderschrank, der kleine Sohn steht mit dem blutigen Messer in der Ecke. Der Sohn ist Autist — so was hat man heutzutage im Film, wenn man als Filmemacher etwas auf sich hält. Ist nun der kleine, süße Autist der Mörder, oder tat es die Schwester und ist somit ein raffiniertes Biest? Natürlich ist die Schwester ein Biest und also auch die Mörderin. Man ahnt es die ganze Zeit, vermutlich wegen der vielen, vielen großen Winke mit dem Zaunpfahl.

Aber darum geht es eigentlich gar nicht. Es geht darum, daß ein Spezialist für autistische Kinder den kleinen, süßen Autisten-Zeugen knacken will, um ihn vor dem Zugriff eines Spezialisten zu retten, der fortwährend brutal Spritzen verabreicht. Natürlich leidet der nette, altmodische Psychiater an schlimmen Schuldgefühlen, weil sich vor Jahren einer seiner kleinen Patienten umgebracht hat. Sie ahnen es, der Film existiert, um zu zeigen, wie netter Psychiater und süßer Autist gemeinsam ihre Traumata bewältigen und darüber dicke Freunde werden. Und nicht nur das. Der Film ist weiterhin dazu da, die wundersame sowie komplette Heilung des kleinen Autisten zu zeigen. (Meine beste Freundin, die seit 10 Jahren mit autistischen Kindern arbeitet, hat mir gegenüber nie auch nur angedeutet, daß so etwas möglich ist.) Und nicht nur das. Die Schwester, das raffinierte Biest, hat aus edlen Motiven gemordet. Und nicht nur das. Der Film erklärt uns, daß glückliche Familien schreckliche Geheimnisse haben, daß Kindesmißbrauch böse ist und am Ende gar zu Mordtaten führt, die wiederum nicht dazu da sind, bestraft, sondern therapiert zu werden.

Dank gebührt diesem Film dafür, daß er uns also endlich die Augen öffnet. Am Ende lebt der geheilte Autist als Ziehsohn beim Psychiater. Ein mir leider unbekannter Kollege schlug ein noch besseres Ende vor: „Fünfzehn Jahre später. Der Ex-Autist hat eine glückliche Familie gegründet, sieben Kinder. Das siebente Kind ist wieder ein Autist.“ Lieber unbekannter Kollege — blaukariertes „Forrest-Gump-Hemd“, kurze, schwarze Haare, ca. 30 Jahre —, bitte melde dich! Ich möchte dich unbedingt kennenlernen, um mit dir Drehbücher zu schreiben! First we take Hollywood, then we take the Berlinale!

Nach 101 Minuten geht das Licht an, und man hat fast alles vergessen. Ausgenommen die hübschen Häuschen in den hübschen Wäldern. Manche Leute haben doch ein Glück bei der Wohnungssuche! Anke Westphal

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