: Grüne Mäusebadehose für den PDS-Elefanten
■ Bürgerrechtler in der Bündnis 90/Grünen-Fraktion spitzen den Konflikt um das Verhältnis zur PDS zu und kritisieren „Blamage durch Anbiederung“
Bonn (taz) - Im unübersichtlichen Streit der Bündnisgrünen um das Verhältnis zur PDS zeichnet sich eine neue Regel ab: Am Wochenende stecken die Kontrahenten mit markigen Worten Terrain ab. Kürzlich erklärte Fraktionssprecherin Kerstin Müller ohne vorherige Abstimmung mit ihren Bundestagskollegen im TV-Sonntagsmagazin ZAK die PDS für „prinzipiell koalitionsfähig“. Gestern schlugen Bürgerrechtler aus der Fraktion zurück: Der eigenen Partei warfen Vera Lengsfeld und Gerd Poppe in der Welt am Sonntag eine blamable Annäherung an die PDS vor. Daß Fraktionskollegen bei der Wahl zum gemeinsamen Ausschuß des Bundestages für PDS-Gruppenchef Gregor Gysi gestimmt hatten, nannte Poppe rundweg einen „Affront“.
Nicht irgendwer war gemeint. Mit Kerstin Müller und Joschka Fischer hatte die Fraktionsspitze für den umstrittenen PDS-Mann Gysi die Hand gehoben. Die Attacke der Bürgerrechtler zielt auf Fischers Strategie, die PDS aus der Rolle des ewigen Opfers zu hieven. Die Idee, die SED-Nachfolgepartei in die Regierungsverantwortung zu nehmen, ist für Lengsfeld ein „glatter Denkfehler“.
Der Vorstoß im Springer-Blatt schürt einen Konflikt, den Joschka Fischer gerne niedrig gehängt hätte. Auf der Fraktionsklausur in Bad Neuenahr Mitte Januar hatten die Abgeordneten keine Grundsatzdebatte geführt und sich nur geeinigt, die PDS im Bundestag keinesfalls auszugrenzen. Mit Bauchschmerzen stritt seither Fraktionsgeschäftsführer und Ex- Bürgerrechtler Werner Schulz für einen Fraktionsstatus jener SED- Erben, die ihm früher das Leben schwer gemacht hatten.
Im Bundestag zeigte sich aber, daß die nicht geklärte Streitfrage der PDS Angriffsflächen bietet. Die Fraktion ist gespalten darüber, was der faire demokratische Umgang erzwingt und wo der Traum vom linken Reformbündnis durchschlägt. „Keinen Zweifel“, so die Abgeordnete Waltraud Schoppe, „daß es bei uns in der Fraktion Leute gibt, die eine Affinität zur PDS haben und sie aus emotionalen Gründen unterstützen“.
Wenig öffentlich wirksam ist es, wenn die Grünen im Bundestag für den Fraktionsstatus der PDS streiten, für den Abdruck der Rede des Alterspräsidenten und PDS-Abgeordneten Stefan Heym im Regierungsbulletin kämpfen und für die Berücksichtigung der PDS im Vermittlungsausschuß von Bundesrat und Bundestag stimmen.
Halten sich die Grünen im Bundestag aber bedeckt, reizt die PDS sofort das Klischee vom armen Opfer aus. So enthielten sich zwei Grünen-Abgeordnete im Haushaltsausschuß der Stimme, als das Gremium die Finanzierung einer PDS-nahen Parteistiftung ablehnte. Die sächsische Abgeordnete Antje Hermenau folgte einer Kohl-Einladung an die Mitglieder des Haushaltsausschusses, zwei ihrer Fraktionskollegen dagegen blieben demonstrativ fern, weil der Kanzler keine PDSler geladen hatte.
Gegen die Wahl des wegen Stasi-Vorwürfen belasteten Anwalts Gysi in den Gemeinsamen Ausschuß, mithin in das Notparlament, stimmten im Bundestag aber nicht nur bündnisgrüne Bürgerrechtler. „Wenn etwa Lambsdorff so belastet wäre wie Gysi, hätten wir ihn ja auch nicht gewählt“, begründet Waltraud Schoppe ihr Verhalten. In der 49köpfigen Fraktion, der nur fünf Ost-Abgeordnete angehören, sind die PDS-Kritiker bislang in der Mehrheit. Aus der Parteizentrale aber sind ganz andere Töne zu hören. Vorstandssprecher Jürgen Trittin empfiehlt eine Koalition mit der PDS in Berlin. Zur Begründung seiner Diskussion mit Gregor Gysi beim Ex- SED-Zentralorgan Neues Deutschland am Wochenende sagte er der Welt am Sonntag: „Die PDS ist eine genauso verbrecherische oder nicht-verbrecherische Organisation wie die CDU.“ Grünen-Abgeordnete aus dem Osten empfinden solche Äußerungen als Affront. Beim Fraktionskollegen vom linken Flügel beobachtet Antje Hermenau einen „Minderheitenschutzreflex“. Die 30jährige erreichte nach Kerstin Müllers TV-Eklat, daß die Fraktion den Diskussionsprozeß über das PDS- Problem fortsetzen will. Bis Sommer, so glaubt die Abgeordnete, müsse ein Konsens erarbeitet sein, sonst drohe eine Lähmung der parlamentarischen Arbeit.
Im Osten, so gibt die Sächsin zu bedenken, führen die dort schwachen Bündnisgrünen einen politischen „Existenzkampf“ gegen die mindestens hundertfach überlegene PDS. Aufforderung von West-Kollegen zum offensiven Kampf für die Rechte der PDS in Bonn empfindet sie deshalb als absurd: „Das ist doch so, als ob die Maus dem Elefanten anbietet, ihre Badehose zu benutzen.“ Hans Monath
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