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Der „engagierte Christ“ in Bedrängnis

Kirchenasyl-Initiativen wollen Bayerns Innenminister Günther Beckstein wegen rigider Abschiebepraxis aus der Synode der evangelischen Landeskirche entfernen  ■ Aus Augsburg Bernd Siegler

Gern bezeichnet sich Bayerns Innenminister Günther Beckstein als „engagierter Christ“. Als einer der wenigen protestantischen CSU-Männer von Rang wurde er vor fünf Jahren als stellvertretender Synodale in das Kirchenparlament der evangelischen Landeskirche berufen. Das kann sich bald ändern. „Für christliche Argumente ist Beckstein völlig unzugänglich“, argumentierte Ingeborg Ammon, Mitglied der Landessynode, auf dem gestern zu Ende gegangenen Augsburger Studientag des Ökumenischen Kirchenasylnetzes in Bayern. Angesichts der rigiden Abschiebepraxis des bayerischen Innenministeriums will sie die „innerkirchliche Diskussion über das unchristliche Verhalten Becksteins vorantreiben“ und erhielt dabei volle Rückendeckung der 150 anwesenden PfarrerInnen und Kirchenvorstandsmitglieder. Schon auf der Frühjahrssynode Ende März in Bad Reichenhall soll das Thema zur Sprache kommen. „Jemand der so unchristlich ist, hat in der Synode nichts zu suchen“, lautete der Tenor.

In ihrem einstimmig verabschiedeten „Augsburger Appell“ forderte das Ökumenische Kirchenasylnetz in Bayern Beckstein indirekt zum Rücktritt auf. Seine Politik der „ständigen Mißachtung rechtsstaatliche, christliche und humanitäre Werte“ sei „nicht länger tragbar“. Gleichzeitig appellierte man an Bischöfe und Kirchenleitungen, ihre „Gemeinden und Pfarrer nachdrücklich zum christlichen Beistand“, also zur Gewährung von Kirchenasyl für von Abschiebung bedrohten Flüchtlingen zu ermuntern – trotz des wachsenden politischen Gegenwinds.

Nicht nur Günther Beckstein hatte in der Vergangenheit mehrfach Kirchenasyl als „Riesengefahr für den Rechtsstaat“ entschieden abgelehnt. Sein nordrhein- westfälischer Kollege Herbert Schnoor (SPD) sah ebenfalls eine „Relativierung des Rechtsstaats“, und Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) warnte die Kirche vor weiteren „Rechtsbrüchen“. Führende Kirchenmänner widersprachen. Der Mainzer Bischof Lehmann hielt es für rechtmäßig, sich „nach gewissenhafter Prüfung“ gegen staatliche Anordnungen zu stellen. Die evangelischen und katholischen Bischöfe in Berlin-Brandenburg, Sterzinsky und Huber, verteidigten das Kirchenasyl. Der evangelische Landeskirchenrat im Bayern akzeptierte Kirchenasyl als „äußerste Möglichkeit kirchlichen Beistands“ und der Augsburger Bischof Damertz sprach jüngst angesichts der drohenden Abschiebung von syrisch-orthodoxen Christen in die Türkei von einer „Schande für Deutschland“.

„Kirchenasyl ist kein Rechtsbruch, sondern christliche Beistandspflicht“, betonte Walter Steinmaier, Pfarrer der evangelischen Nürnberger Kirchengemeinde St. Jobst, in Augsburg. Seine Gemeinde hatte 1990 einen Flüchtling versteckt. Zusammen mit fünf Mitgliedern des Kirchenvorstands mußte Steinmaier dafür ein Bußgeld von 250 Mark bezahlen. Steinmaier hält die Politik der konsequenten Abschiebung für eine „Politik des Kleinglaubens und der Angst“. Die vermehrte Gewährung von Kirchenasyl sei „Folge der Veränderung des Asylrechts“. Der Rechtsverstoß liege „nicht bei den Unterstützern, sondern im Asylverfahren“.

Trotz der möglichen Berufung auf die Menschenwürde warnte der Münchner Asylrechtsexperte Hubert Heinhold die Kirchenasyl- Initiativen davor, „sich in die Tasche zu lügen“. „Wer Kirchenasyl gewährt, muß wissen, daß er sich strafbar macht.“ In Frage kommen dafür die Bestimmungen der Beihilfe beziehungsweise Anstiftung zu einem Vergehen gegen das Ausländergesetz, der Aufforderung zu Straftaten und der Begünstigung. Die Maßnahmen gegen Kirchenasyl-Gewährer blieben jedoch bislang im Rahmen von Verwarnungen oder Geldbußen. Mehr sei „nicht zu erwarten“, betonte Heinhold. „Das könnte man Augenmaß, aber auch hinreichendes Maß an schlechtem Gewissen nennen.“

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