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Für Gratschow sind 534 Tote „unwesentlich“

■ Rußlands Verteidigungsminister bezeichnet „Befreiung Grosnys“ als weltweit einmalig / Wieder russische Angriffe auf die tschetschenische Hauptstadt

Moskau (dpa/AFP/taz) – Der russische Verteidigungsminister Pawel Gratschow hat erneut versucht, den Tschetschenien-Krieg zu rechtfertigen. „Die Operation zur Befreiung Grosnys ist mit nichts in der Welt vergleichbar“, sagte Gratschow am Rande einer Tagung über Waffentechnik in Kubinka bei Moskau. „Zum ersten Mal standen die Streitkräfte vor der Aufgabe, eine Stadt einzunehmen, ohne dabei großen Schaden anzurichten.“ Nach Gratschows Worten fielen im Verlaufe des Krieges 534 russische Soldaten. „Das ist angesichts der Größe der Operation unwesentlich“, erklärte der Minister.

Da Gratschow einen Vortrag bei der Tagung hielt, sagte er einen gleichzeitigen Termin beim Duma- Untersuchungsausschuß über den Tschetschenien-Krieg ab. Dort hätte man seinen Zahlen über die gefallenen toten Soldaten auch kaum Glauben geschenkt. Schon vor einer Woche wurde in unabhängigen Kreisen von über 1.000 gefallenen Angehörigen der russischen Armee gesprochen.

Nach dem Ende des Waffenstillstands in Tschetschenien haben russische Truppen ihre Angriffe auf den Süden und Südwesten der tschetschenischen Hauptstadt Grosny verstärkt. Die Russen reagierten damit offenbar auf Angriffe tschetschenischer Kämpfer, bei denen am Wochenende mindestens 18 russische Soldaten getötet wurden.

Die Kämpfe am Montag waren jedoch weniger heftig vor dem Waffenstillstand Anfang Februar. Die Angriffe konzentrierten sich auf die Stadtteile Okruschenaja, Aldi und Tschernoretschije. Die Straßen der Hauptstadt waren menschenleer. Tschetschenische Kämpfer betonten gestern, sie hätten nach dem Ende der Waffenruhe die Kämpfe nicht wieder aufgenommen, da sie auf Anweisungen ihrer Militärführer warteten.

Tschetscheniens Präsident Dudajew hat sich im Interview mit der estnischen Zeitung Postimees bereit erklärt, mit „egal welchem“ russischen Regierungsvertreter zu verhandeln. Angesichts des nicht eingehaltenen Waffenstillstandes, der von den Oberkommandierenden beider Seiten ausgehandelt worden war, sagte Dudajew, er habe nie gehofft, daß Verhandlungen auf unterer Ebene Erfolg haben könnten.

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