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Der Bild-Ableiter

■ Verleger Klaus Helbert ist der König der Onanistenpresse: "Blitz" soll für Leser sein, denen "Bild" noch zu intellektuell ist

„Postbeamte sind geistig unterbelichtete Schmarotzer. Zweibeinige Pantoffeltierchen, die ihr Geld fürs Nichtstun bekommen.“ Diese pauschale Verunglimpfung eines ganzen Berufsstandes bescherte der Zeitschrift Coupé eine Rüge des Deutschen Presserats. In seiner Begründung stellte er fest, daß der ehrverletzende Kommentar dem journalistischen Anstand widerspreche.

Mit dem Anstand ist das so eine Sache beim Helbert-Verlag in Wiesbaden. Ob „lesbische Rocker-Zuhälterinnen blutjunge Mädchen zum Anschaffen prügeln“ oder „der Mann mit drei Penissen“ präsentiert wird, keine Schlagzeile ist dem 28jährigen Jungverleger Klaus Helbert zu abseitig, um sein selbstgestecktes Ziel zu erreichen. „Mit 25 Jahren bin ich Millionär“, verkündete der ehemalige Banklehrling 1985, als er mit Coupé seine erste Zeitschrift gründete.

Doch erst nach der rasanten Wandlung vom erfolglosen Wiesbadener Stadtmagazin zur monatlichen Masturbationsvorlage rückte Klaus Helberts Plansoll in greifbare Nähe. Während die Neue Revue oder der Playboy Auflage und Anzeigen verloren, reüssierte „die junge Illustrierte“ mit einem Trommelfeuer primärer Geschlechtsmerkmale, ergänzt von Intimbeichten und voyeuristischen Enthüllungsgeschichten. Inzwischen findet das „Vereinsblatt für den Hardcore-Lüstling“ (Spiegel) 640.000 Käufer für das Einhand- Heftchen.

Solche Auflagen beeindruckten selbst den renommierten Bauer- Verlag. Die Hamburger, die ihre eigene Schmuddelecke gern verschweigen (Wochenend, Praline), kauften 1989 fünfzig Prozent des hemmungslosen Helbert-Verlags. „Ich hätte auch an Gruner+Jahr verkaufen können“, behauptete Klaus Helbert damals, „hatte aber kein Interesse, mich mit so Pseudo- Managern hinzusetzen und über redaktionelle Ethik zu sprechen.“

Das ist offenbar überhaupt kein Thema beim Bauer-Verlag, solange die Kasse stimmt. Für Bauer- Verlagssprecher Roman Köster ist Klaus Helbert schlicht „ein junger Mann, der weiß, wie man Geld verdient“.

Wobei das Wie nicht so wichtig ist. Seit 1992 serviert Klaus Helbert seine Melange aus Sexismus und Fremdenfeindlichkeit auch wöchentlich. Hinter dem harmlosen Namen BlitzIllu verbirgt sich eine Zeitschrift, die mit dem Wortschatz eines Pornohefts auskommt. In Rubriken wie „Lustige Sex-Bräuche fremder Völker“ werden die Vorurteile kurzerhand unter die Gürtellinie verlegt: „Neger haben vielleicht einen längeren Penis, doch mit ihren aufregenden Sexspielen liegen weiße Männer mehr als eine Schwanzspitze vorn!“ Vorn liegen auch die weißen Männer vom Helbert-Verlag. Mit einer Auflage von über einer halben Million gehört BlitzIllu zu den Marktführern der Onanistenpresse.

Angespornt vom Erfolg seiner beiden Busenblätter, bläst Klaus Helbert nun zum Generalangriff auf den guten Geschmack. Sein ehrgeiziges Projekt: Ein tägliches Boulevardblatt namens Blitz soll das bundesweite Bild-Monopol zum Wackeln bringen. Böse Vorahnungen werden durch Klaus Helbert persönlich bestätigt: „Blitz ist für Leser, denen Bild zu intellektuell ist“, gibt er die Stoßrichtung jenseits der Gürtellinie bekannt.

„Einen bisher nicht für möglich gehaltenen Gossenjournalismus“, befürchtet die SPD-Bundestagsabgeordnete Marliese Dobberthien. Um den täglichen Verbalinjurien vorzubeugen, appellierte sie in einem offenen Brief an den Bauer- Verlag, das Projekt zu stoppen. Doch während in Hamburg noch von Sandkastenspielen gesprochen wird, hält Klaus Helbert in Wiesbaden bereits Ausschau nach „Vollblutjournalisten und knallharten Polizeireportern“ (Anzeigentext). Bewerbungsgespräche enden mit dem Rat, ethische Vorbehalte im Zweifel über Bord zu werfen. Derart erleichtert produziert eine Projektredaktion fleißig Nullnummern, schließlich soll die erste Ausgabe noch in diesem Jahr erscheinen.

Journalistisches Vorbild von Blitz ist das englische Massenblatt Sun, bei dem die Verletzung der Intimsphäre die Ultima ratio ist. Mit einer Mischung aus Sex, „knallharten Krimis“ und „Sportstories aus der Südkurve“ will der Helbert-Verlag nahe der Debilitätsgrenze Auflage machen. Für Frauen soll es Doktorserien geben, den Fußballfans „mit der Bierdose in der Hand“ will man mit martialischer Prosa zuprosten. „Bei uns werden keine Tore geschossen, sondern die Bälle ins Tor gebombt.“

Ähnliche Töne waren schon eimmal zu vernehmen. Doch Super aus dem Burda-Verlag brachte es trotz Unmengen von Blut und Busen statt auf Auflage nur zum Brechmittel der Nation. Branchenkenner halten einen erfolgreichen Blitz-Krieg gegen Bild denn auch für fraglich. „Sex and Crime laufen jeden Abend im Fernsehen. Wer will das am nächsten Morgen noch lesen?“ fragt Wieland Sandmann, Chefredakteur des Berliner Kuriers, der sich im Ostteil der Stadt erfolgreich gegen Springers Bild und BZ durchsetzen konnte.

Tatsächlich wird das Krawall- Monopol der Boulevardzeitungen durch das Privatfernsehen zunehmend aufgeweicht. Seit Explosiv (RTL) oder Schreinemakers (Sat.1) allabendlich das Kuriositätenkabinett bundesweit vor die Kamera zwingen, wirkt die morgendliche Bild-Schlagzeile geradezu seriös. „Wir lassen das Blut aus den Zeilen raus“, beschreibt Sandmann die Reaktion der Boulevardpresse. Auch bei Blitz setzt man auf Reduktion, wenn auch anderer Art: „Nebensätze werden gnadenlos gestrichen.“ Oliver Gehrs

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