: Von Wassermelonen und anderen unschönen Anblicken Von Klaudia Brunst
Als ich meine Freundin vor sieben Jahren kennenlernte, stand nur eines zwischen uns: ihr Fahrrad. Denn meine Freundin war damals noch bekennende Umweltlesbe und also energiebewußt. Ich dagegen hatte meine dörfliche Vergangenheit vor allem aus einem Grund hinter mir gelassen: ich wollte nie mehr bei Gegenwind mit dem Fahrrad zur Schule fahren müssen.
Eine Zeitlang fuhren wir also getrennt in den Sub, sie mit dem Fahrrad, ich mit der BVG. Irgendwann schenkte mir dann meine Freundin zum Geburtstag ein Herrenfahrrad und ich ihr zu Weihnachten ein BVG-Jahresticket – seitdem nehmen wir die Räder bei Regen immer mit in die U-Bahn.
Mittlerweile hat meine Freundin ihre Ökoattitüden weitgehend abgelegt, so wie ich mir das morgendliche Teetrinken angewöhnt habe, weil das kleine Urbanisten- Gedeck (ein Espresso und zwei Gauloises) doch nicht mehr ganz so gut zum Zustand meiner Magenschleimhaut paßt. Trotz allem Entgegenkommen konnte ich meine Freundin allerdings nicht ganz davon überzeugen, ihr Fahrrad dem Kohlenkeller zu überantworten. Sie findet, das Radeln straffe ihre Pomuskulatur – und da kann ich natürlich nicht gegen sein. Obwohl ich mir immer so schrecklich kleinbürgerliche Sorgen mache, wenn ich mit meinem Silberpfeil hinter ihr herhaste. Denn wie alle echten Fahrradprofis hält sie nicht viel von roten Ampeln.
Seit wir den Hund haben, ist das aber kein Problem mehr. Denn mit ihm am Fahrrad bin ich neuerdings schneller – und sie macht sich Sorgen. Vor allem abends, wenn der Hund und ich etwas verspätet von der Arbeit heimkommen und meine Freundin gleich denkt, irgendein Laster hätte uns mal wieder mutwillig überrollt.
Letzten Samstag wollten wir endlich allem ein Ende bereiten und uns Fahrradhelme kaufen. Denn wir hatten am Abend zuvor nicht schnell genug umgeschaltet, als im Fernsehen der „7. Sinn“ eine Wassermelone aus einem Meter Höhe auf den Asphalt warf und uns damit zu verstehen gab, was unserem Kopf blühen würde, wenn da wirklich mal ein Laster ... Kein schöner Anblick, das.
In der Fahrradabteilung des KaDeWe hatten sie wirklich eine recht vertrauenerweckende Anzahl bunter L/XL-Helme, die allesamt gut auf eine Melone passen würden, nicht aber auf unsere Köpfe, denen eher die Größe S/M zustünde. Schließlich fanden wir aber doch zwei pinkfarbene Kindermodelle, die uns ganz erträglich erschienen. „Steht dir wirklich gut“, meinte meine Freundin in einem Ton, der mich eher mißtrauisch machte, besonders weil auch ich (die Melone!) nicht ganz bei der Wahrheit blieb, als ich ihr zu einem „Pinoccio Super“ riet, mit dem sie bei Licht betrachtet aussah wie Michel aus Lönneberga.
Es hätte also alles gutgehen können mit unserem Mut zur Sicherheit, wenn sich nicht doch noch der Verkäufer hinter seinem Tresen hervorbemüht hätte, um uns auf den Spiegel aufmerksam zu machen. Kein schöner Anblick.
Wir haben dann über alles noch einmal ganz neu nachgedacht und schließlich etwas noch viel Sichereres gekauft: Ein neongelbes Halsband für 45,50 Mark, mit praktischem Klettverschluß und rhythmisch rotaufblinkenden Leuchtdioden. Für den Hund. Weil Kinder im Verkehr doch noch viel, viel gefährdeter sind.
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